Online-Attest ohne vorherige Untersuchung begründet keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung

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Ein über den Online-Dienst au-schein.de ausgestelltes Attest ohne vorherige ärztliche Untersuchung genügt nicht für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit.

In einer ersten Entscheidung hat sich das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 01.04.2021 (Az. 42 Ca 16289/20) damit auseinandergesetzt, ob ein Online-Attest ausreichend ist, um eine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Der Kläger übermittelte seinem Arbeitgeber für die Zeiträume vom 26.08. bis 30.08.2020 sowie vom 05.09. bis 09.09.2020 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die von einer in Hamburg ansässigen Gynäkologin ausgestellt worden waren. Die Ärztin stellte die Bescheinigungen anhand der vom Kläger online auf der Internetseite au-schein.de gemachten Angaben aus. Zwischen ihr und dem Kläger fand weder ein persönlicher noch ein telefonischer Kontakt statt. Auf der zitierten Internetseite wird gegen Zahlung einer Gebühr die Übermittlung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angeboten. Dabei können Nutzer zwischen Grunderkrankungen auswählen und müssen im Anschluss daran vorformulierte Fragen beantworten, wobei vorgegebene Antwortmöglichkeiten und Symptome zur Auswahl angeboten werden. Die ärztliche Anamnese beruht im Regelfall auf diesen Angaben. Nachdem die Beklagte die Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass sie an der Arbeitsunfähigkeit zweifle, machte der Kläger seine Ansprüche gerichtlich geltend und behauptete, in den streitgegenständlichen Zeiträumen tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein. Die Beklagte hingegen vertrat die Auffassung, dass der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei, da sie ausschließlich online und ohne ärztliche Untersuchung ausgestellt worden seien.

Das Arbeitsgericht hat die Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung zurückgewiesen und begründet, dass der Kläger seine bestrittene Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen habe. Von einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahre 1976 nicht ausgegangen werden, wenn der Ausstellung keine Untersuchung vorausgegangen sei und mangels Patientenbeziehung auch eine Ferndiagnose ausscheide. Die seitens des Klägers vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien nicht für den Beweis seiner Arbeitsunfähigkeit geeignet, da eine Untersuchung nicht stattgefunden habe und auch die ausstellende Ärztin weder ein persönliches noch ein telefonisches Gespräch mit dem Kläger geführt habe. Auch aus den zur Zeit der Pandemie geltenden Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung ergebe sich nichts anderes. Die Ausnahmeregelung verdeutliche vielmehr, dass nicht einmal in dieser Ausnahmesituation ein geringerer persönlicher Kontakt als ein Telefonat zulässig sein soll. Eine bis zu 7 Tage andauernde Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann auch nach den entsprechenden Bestimmungen nur aufgrund einer telefonischen Befragung des Arztes gegenüber dem Patienten ausgestellt werden.

Der Kläger habe den Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit auch nicht auf andere Weise geführt, sodass die Klage insgesamt abzuweisen war.