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Sonderrundschreiben Nr. 17 / 2022 vom 19.09.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher bereits aus der Presse entnommen haben, hat das Bundesarbeitsgericht in der vergangenen Woche eine Entscheidung von hoher praktischer Bedeutung verkündet. Das BAG formuliert im Anschluss an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2019 eine unmittelbare Verpflichtung der Arbeitgeber, ein System zur Erfassung der Arbeitszeiten zur Verfügung zu stellen. Diese Entscheidung ist in einem Beschlussverfahren zwischen einem Betriebsrat und dem Arbeitgeber ergangen und betrifft unmittelbar die Frage, ob dem Betriebsrat ein sog. Initiativrecht auf Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zusteht.

Eine Vorabeinschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände können Sie hier herunterladen. Eine unmittelbare Festlegung des Durchführungsweges der Arbeitszeitdokumentation erfolgt nicht. Der Europäische Gerichtshof hatte in der oben genannten Entscheidung zur Auslegung der EU-Arbeitszeitrichtlinie die Nationalstaaten verpflichtet, ein Dokumentationssystem einzuführen, das objektiv verlässlich und zugänglich ist, um die vom Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit messbar auszugestalten, dies unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereiches und der Eigenheiten bestimmter Unternehmen.

Das Bundesarbeitsgericht liest § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes nunmehr so, dass eine derartige Verpflichtung bereits jetzt bestünde, die EuGH-Entscheidung also nicht noch durch einen deutschen Gesetzgebungsakt weiter umgesetzt werden müsste. Demgegenüber befindet sich seit 2019 eine entsprechende Regelung durch den Gesetzgeber in der Planungsphase. Das BAG greift somit dem Gesetzgeber vor. Ob der Gesetzgeber bestimmte Durchführungswege wie eine elektronische Zeiterfassung vorschreiben wird oder es bei der bisherigen Möglichkeit bleibt, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten manuell dokumentieren können, kann nach heutigem Stand nicht beurteilt werden.

Die konkreten Konsequenzen dieser Entscheidung bleiben somit abzuwarten. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Entscheidungsgründe, die bisher noch nicht vorliegen. Zum anderen ist abzuwarten, wie nunmehr der Gesetzgeber auf diese Entscheidung des BAG reagiert. Im Koalitionsvertrag war hier die Umsetzung dieses EUGH-Urteils im Dialog mit den Sozialpartnern vorgesehen. Dabei sollte auch eine Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich sein.

Wir werden Sie deshalb weiter über dieses Thema informieren, sobald die Entscheidungsgründe des BAG vorliegen oder der Gesetzgeber einen ersten Entwurf für die Reform des Arbeitszeitgesetzes vorlegt.

Mit freundlichen Grüßen

 

Bernd Wiechel
Hauptgeschäftsführer