Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat kürzlich ihre Streikstatistik für das Jahr 2023 veröffentlicht. In der Auswertung sind alle an die Agentur für Arbeit gemeldeten Streiks aufgeführt. Die BA erfasst nur die Streiks und Aussperrungen als Arbeitskämpfe, an denen in den betroffenen Betrieben zumindest zehn Arbeitnehmer beteiligt waren und die mindestens einen Tag dauerten oder durch die ein Verlust von mehr als 100 Arbeitstagen entstanden sind. Alle anderen Konflikte gelten als sog. Bagatell-Streiks und werden lediglich nachrichtlich aufgezeigt.
Eine von der BDA erstellte Übersicht können Sie hier herunterladen.
Die aktuellen Zahlen verdeutlichen die gestiegene Konfliktintensität im zurückliegenden Jahr. So hat sich gegenüber dem Vorjahr die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage aufgrund von Streikmaßnahmen mehr als verdoppelt. Die Anzahl der von Streiks betroffenen Betriebe stieg um mehr als das Dreifache.
Die Ergebnisse im Überblick:
Im Jahr 2023 sind 590.403 Arbeitstage durch gemeldete Arbeitskämpfe ausgefallen. Damit sind 323.709 mehr Arbeitstage aufgrund von Streiks ausgefallen als im Jahr 2022. Die Zahlen für die Aussperrungen waren nur geringfügig, sodass diese aus Datenschutzgründen nicht aufgeführt wurden. Die von der BA ebenfalls erfassten Bagatell-Arbeitskämpfe verursachten im Jahr 2023 46.993 Ausfalltage und damit 1.996 weniger als im Jahr 2022. Insgesamt summierte sich die Ausfallzeit im Jahr 2023 auf 637.396 Tage. Die Betriebe in Deutschland mussten damit mehr als doppelt so viele Ausfalltage bewerkstelligen als noch im Jahr zuvor (316.950).
Aus der BA-Auswertung ergibt sich, dass insgesamt 5.217 Betriebe von Streiks und weitere 5.189 Betriebe von Bagatell-Streiks betroffen waren. Beteiligt haben sich 326.897 Beschäftigte an den gemeldeten Streiks sowie 40.229 Beschäftigte im Rahmen der Bagatell-Streiks.
Die Statistik für die einzelnen Bundesländer veranschaulicht, dass 2023 vor allem Betriebe in Nordrhein-Westfalen (978), Bayern (923) und Baden-Württemberg (744) von Streikmaßnahmen betroffen waren. Mit Hinzurechnung der Bagatell-Streiks waren in NRW 1.900, in Bayern 1.670 und in Baden-Württemberg 1.355 Betriebe von Streikmaßnahmen betroffen. Die meisten Ausfalltage durch Streiks bzw. Bagatellstreiks wurden in Bayern (142.742), Nordrhein-Westfalen (103.381) und Hessen (61.992) gemeldet. Die wenigsten Ausfalltage durch Streiks bzw. Bagatellstreiks verzeichnete die BA im Saarland (4.012) und in Mecklenburg-Vorpommern (6.062).
Die Differenzierung der Streikaufkommen nach Wirtschaftszweigen (Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 2008 – WZ 2008) veranschaulicht, dass im Jahr 2023 vor allem Betriebe aus den Bereichen ,,Einzelhandel‘‘, ,,Post-, Kurier- und Expressdienste‘‘ und ,,Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung‘‘ betroffen waren. So speist sich die Gesamtzahl der von Streiks betroffenen Betriebe (5.217) im Jahr 2023 zu mehr als einem Drittel aus Betrieben des Einzelhandels (1.805). Erst kürzlich konnten Anfang Mai 2024 im Einzelhandel erste regionale Tarifergebnisse erzielt werden nach mehr als einjähriger, zäher und von Streikmaßnahmen begleiteter Verhandlungsdauer.
Die BA weist in ihrer Streikstatistik darauf hin, dass ihre ausgewiesenen Zahlen über betroffene Personen, Betriebe und ausgefallene Arbeitstage insgesamt untererfasst sind. Vor allem bei kürzeren Arbeitskämpfen (auch jenseits der beschriebenen Bagatellgrenze) erfolgen häufig keine Anzeigen durch die Arbeitgeber. Die Analysen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung beruhen auf Gewerkschaftsangaben und Auswertungen von Presseberichten und kommen damit regelmäßig zu höheren Gesamtergebnissen in ihrer Arbeitskampfstatistik. Dieses Jahr sind bislang noch keine aktualisierten Zahlen für das Jahr 2023 vom WSI erschienen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kommt anhand ihres Konfliktbarometers, das die Konfliktintensität und die maximale Eskalationsstufe im Rahmen eines Tarifjahrs ermittelt, zu dem Ergebnis, dass sich die Arbeitskampfbereitschaft im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich verschärft habe. Mit einer durchschnittlichen maximalen Eskalationsstufe von 3,0 und einer Konfliktintensität von 15,0 wurden im Vergleich zu den letzten Jahren Höchstwerte verzeichnet. Mit Blick auf das laufende Jahr prognostiziert das IW bereits eine weiter andauernde, hohe Konfliktintensität. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in vielen zentralen Branchen wie der Bauwirtschaft, dem Bankgewerbe und der Chemischen Industrie Tarifverhandlungen geführt werden bzw. noch anstehen, wie u.a. in der Metall- und Elektro Industrie, der Deutsche Post AG sowie im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.