Anspruch auf Schlussformel im Arbeitszeugnis wegen Verstoß gegen Maßregelungsverbot

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BAG, Urteil vom 06. Juni 2023, 9 AZR 272/22

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel in einem Arbeitszeugnis. Die Verpflichtung eine solche Schlussformel aufzunehmen kann sich aber aus dem Verbot der Maßregelung ergeben (§ 612a BGB), wenn die Formulierung nach Zeugniskorrektur in einer früheren Fassung enthalten war.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, das ihr erteilte Arbeitszeugnis abzuändern. Die Klägerin war vom 15.08.2017 bis 28.02.2021 bei der Beklagten beschäftigt. Im März 2021 erteilte die Beklagte der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom 28.02.2021, welches mit folgender Dankes- und Bedauernsformel endete: „Frau … verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ Die Klägerin forderte die Beklagte zweimal auf, das Arbeitszeugnis zu korrigieren. Beide gewünschten Änderungen nahm die Beklagte vor. Mit der zweiten Änderungen entfernte die Beklagte aber auch die Schlussformel. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen enthaltene Schlussformel beinhaltet. Mit der Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße die Beklagte gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.

Die Klägerin hat in allen drei Instanzen Erfolg. Die Beklagte sei gemäß § 612a BGB verpflichtet, der Klägerin das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten Schlusssätze zu erteilen. Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch auf eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel. Hier folge die Verpflichtung der Beklagte zur erneuten Änderung des Zeugnisses allerdings aus dem Verbot der Maßregelung (§ 612a BGB). Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ein Arbeitnehmer soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte in Anspruch nimmt oder davon absieht. Hat der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Dabei hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände. Ein Festhalten an dem von ihm selbst erstellten Zeugnis sei nach der Entscheidung des BAG einem Arbeitgeber nur dann nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen erscheinen lassen. Der Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots sei auch nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet, insbesondere im Bereich des Zeugnisrechts.