Berücksichtigung der Rentennähe bei der Sozialauswahl

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Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten Kriterien zu erfolgen. Diese sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine Rente wegen Alters oder auch eine vorgezogene Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.12.2022 (Az. 6 AZR 31/22) nun entschieden, dass bei der Gewichtung des Lebensalters auch zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf, dass dieser rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen dürfe nach Ansicht des BAG insoweit nicht berücksichtigt werden. 

In dem entschiedenen Fall war die Klägerin bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte mit dem Betriebsrat einen ersten Interessensausgleich mit Namensliste, der eine Kündigung von 61 beschäftigten Arbeitnehmern vorsah. Die Klägerin war in der Namensliste als zu kündigende Arbeitnehmerin genannt und wurde daher gekündigt. Nach Ansicht des Beklagten sei die Klägerin in ihrer Vergleichsgruppe am wenigsten schutzwürdig. Sie habe als einzige die Möglichkeit, zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte zu beziehen. Das BAG bestätigte, dass die Betriebsparteien die Rentennähe der Klägerin bei der Sozialauswahl bezogen auf das Kriterium „Lebensalter“ berücksichtigen durften. Sinn und Zweck der Sozialauswahl sei es, unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Ausfallkriterien gegenüber denjenigen Arbeitnehmer eine Kündigung zu erklären, der sozial am wenigsten schutzbedürftig ist. Das Auswahlkriterium „Lebensalter“ sei dabei ambivalent. Zwar nehme diese soziale Schutzbedürftigkeit zunächst mit steigendem Lebensalter zu, weil lebensältere Arbeitnehmer nach wie vor typischerweise schlechtere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Sie falle aber wieder ab, wenn der Arbeitnehmer entweder spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente wegen Alters mit Ausnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen verfügen kann oder über ein solches bereits verfügt, weil er eine abschlagsfreie Rente wegen Alters bezieht.