Diesen Beitrag können Sie auch als Podcast hören: Arbeitsrecht in Kürze
LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.03.2023, 2 Sa 313/22
Die private Nutzung einer Tankkarte kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Eine Abmahnung ist immer dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.
Der Kläger war seit 2011 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Seit 2019 handelte es sich dabei um einen BMW 320 d Touring (Diesel). Nach der Dienstwagenrichtlinie übernahm die Beklagte nicht nur Leasinggebühr und Versicherungsprämie, sondern auch die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff, Öl). Hierfür wurden dem Kläger zwei Tankkarten ausgehändigt. Mit diesen Tankkarten nahm der Kläger auch Tankvorgänge vor, bei denen er u.a. sein Privatfahrzeug Typ Porsche 911 Cabrio mit Superkraftstoff betankte. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die 1. Instanz hat der Kündigungsschutzklage noch hinsichtlich beider Kündigungen stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte hätte vor Ausspruch der Kündigung als milderes Mittel eine Abmahnung aussprechen müssen. Das siegt das LAG Niedersachsen anders.
Bereits die außerordentliche Kündigung ist nach Auffassung des LAG Niedersachsen wirksam. Aus der Dienstwagenrichtlinie der Beklagten ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass dem Kläger die Nutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht erlaubt war. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall kann durch eine Abmahnung als milderes Mittel die Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden. Dem Kläger musste hier bewusst gewesen sein, dass er die Tankkarten entgegen der ihm eingeräumten Befugnisse einsetzte. Der Kläger hat planvoll und zielgerichtet gehandelt. Angesichts der Häufigkeit der fehlerhaften Nutzung liegt kein Flüchtigkeitsfehler oder einmaliger Ausrutscher vor. Eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens konnte durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht erwartet werden.