Konflikte „remote“ lösen. Geht das?

PE-Blog

Konfliktlösung in virtuellen Teams bedarf einer anderen Herangehensweise.

Dass ungelöste Konflikte Kosten verursachen, ist mittlerweile in den meisten Unternehmen angekommen. Viele haben ein Konfliktmanagement etabliert, andere haben ihre Führungskräfte geschult oder nehmen die Unterstützung eines neutralen Dritten oder Mediators in Anspruch, um Konfliktgespräche professionell moderieren zu lassen.

Aber wie sieht die Lage aus, seit Homeoffice an der Tagesordnung ist? Sind Konflikte kein Thema mehr? Keineswegs! Bei bestehenden Spannungen sind diese – gemeinsam mit dem mit Laptop und den Leitzordnern – in die privaten Büros ‚umgezogen’. Zwar fallen viele Konfliktursachen weg, doch kann Virtualität mitunter auch verstärkend wirken.

 

Wie ist die Stimmung im Team?
Schwierige Situationen, unzumutbare Zustände, die bisher noch mit Kollegen im Büro diskutiert werden konnten, müssen Mitarbeiter*innen im Homeoffice alleine verarbeiten. Fehlt der Kontakt zum Team, kann sich das Gefühl noch verstärken, nicht ernst genommen oder von der Nachbarabteilung übergangen zu werden. Auch der Chef hat sich seit einer Woche nicht mehr blicken lassen, da sind negative Gefühle und innere wie äußere Konflikte vorprogrammiert.

Führungskräfte sollten jetzt noch sensibler für die Stimmung Ihrer Mitarbeiter*innen sein. Unstimmigkeiten kommen überall vor und sind im täglichen Miteinander ganz normal – teilweise sogar hilfreich. Trotzdem sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass der beste Konflikt der ist, der gar nicht erst entsteht.

 

Vertrauen minimiert Konfliktpotenzial
Wie aber gelingt es, Problemen vorzubeugen, wenn ein Großteil zu Hause arbeitet?

Die Antwort darauf lautet: Durch den Aufbau guter Beziehungen – zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, aber auch zwischen den Mitarbeitenden untereinander.

Eine gute Beziehung basiert auf Vertrauen. Vertrauen in die Mitarbeitenden zahlt sich also gerade in den Zeiten längerer Abwesenheit mehrfach aus. Nicht nur, dass Menschen nachweislich produktiver und selbständiger arbeiten, wenn ihnen Vertrauen entgegenbracht wird. Es verhindert auch die Entstehung von Konflikten. Denn Konflikte basieren oft auf Vorurteilen. Ich unterstelle meinem Gegenüber etwas, von dem ich eigentlich gar ich weiß, ob es so ist. Wenn ich vertraue gehe ich zunächst neutral in die Situation.

Gelingt es also, eine gute, vertrauensvolle und transparente Atmosphäre im Team zu schaffen, ist dies schon eine echte Konfliktprävention (siehe hierzu Blogbeitrag: „Führen auf Distanz“).

Je besser die persönlichen Beziehungen sind, desto

  • weniger Missverständnisseentstehen
  • seltener finden Fehlinterpretationen des Verhaltens anderer statt
  • offenerwird über Schwierigkeiten, Unsicherheiten und Ängste gesprochen
  • früherkönnen Konflikte bereits im Vorfeld erkannt werden

 

Sach- oder emotionale Ebene?
Kommt es dennoch zu Konflikten, gilt es in Erfahrung zu bringen, was die Ursachen sind. Ist es eine falsch verstandene Kommunikation? Unklar definierte Ziele, also „nur“ eine Unstimmigkeit auf Sachebene? Dann reicht es oft schon aus, wenn sich die beiden einmal ganz in Ruhe aussprechen und das Vorgehen für die Zukunft festlegen können. Dies ist ohne Probleme auch virtuell möglich. Wenn Führungskräfte dies neutral und ggf. moderierend begleiten, ist schon viel gewonnen.

Oft aber spielt aber auch die emotionale Ebene eine entscheidende Rolle. Der Eine ist nicht gut auf den Anderen zu sprechen, fühlt sich nicht wertgeschätzt oder übergangen. Vorwürfe kommen hinzu und von Vertrauen kann keine Rede mehr sein.

Remote oder nicht: Sind Sie als Führungskraft in der Lage, diesen Konflikt neutral und fachmännisch zu moderieren, ohne zwischen die Fronten zu geraten? Ich schreibe hier bewusst „zu moderieren“ nicht „zu lösen“, denn lösen können den Konflikt in der Regel nur die Konfliktbeteiligten selbst. Eine oft schwierige Situation für Führungskräfte, die eben doch häufig selbst Teil des Problems oder doch zumindest emotional beteiligt sind. Schließlich fühlt er / sie eine hohe Verantwortung fürs Team.

 

Der Bildschirm schafft Distanz
In Online-Treffen verhalten wir uns anders als in der persönlichen Begegnung. Remote kommen Diskussionen oft nur schleppend in Gang, Dinge werden nicht gesagt, die gesagt werden sollten, und so kann sich jeder vorstellen wie schwer es ist, eine Konfliktmoderation digital gewinnbringend zu gestalten.

Konflikte finden überwiegend auf der emotionalen Ebene statt. Diese Emotionen mit den dahinter liegenden Bedürfnissen lassen sich in digitalen Meetings nur schwer transportieren. Daher ist es – wenn irgend möglich – wesentlich sinnvoller, Konflikte in echten Treffen zu bearbeiten, persönlich und ohne Bildschirm dazwischen. Ich persönlich versuche Mediationen nach wie vor im direkten Kontakt mit den Konfliktparteien durchzuführen. Der aktuell einzuhaltende Abstand kann dabei sogar förderlich sein, sollten die Emotionen einmal hoch kochen.

Ist dies aufgrund der aktuellen Lage nicht möglich, es aber wichtig, einen bestehenden Konflikt jetzt aktiv anzugehen, empfiehlt es sich, einen professionellen Moderator hinzuzuziehen. Dieser kennt die passenden Methoden, Konflikte im virtuellen Meeting strukturiert aufzuarbeiten. Er kann steuern, wie miteinander kommuniziert wird und anhand geeigneter Tools die Bedürfnisse der Konfliktbeteiligten herausarbeiten. Auf diese Weise können geeignete Lösungen herbeigeführt und eine sinnvolle Umsetzung besprochen werden.

 

FAZIT:
Konfliktlösung „remote“ ist also durchaus möglich, nicht aber die erste Wahl. Es bedarf in jedem Fall einer guten Vorbereitung, einer verlässlichen und professionellen Begleitung. Und es brauch Transparenz! Sind wir von anderen Teammitgliedern abhängig, müssen wir wissen, wie es bei denen läuft. Daher ist es zwingend notwendig, Zeit und (virtuellen) Raum für die Beziehungspflege zu schaffen. Ob virtuelle Kaffeeküche oder feste Termine fürs Teambuilding: Je stärker das Miteinander, desto mehr reduziert sich das Konfliktpotenzial.