LAG Köln, Urteil vom 20.06.2023, 4 Sa 20/23
Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen, und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen.
Die Parteien streiten über eine betriebsbedingte Beendigungskündigung. Die Beklagte betreibt zwei Altenpflegeeinrichtung an unterschiedlichen Orten. In einer der Einrichtungen ist die Klägerin seit 2003 als Pflegekraft tätig. Die Beklagte beschloss, diese Pflegeeinrichtung zum 31.12.2022 zu schließen. Mit Schreiben vom 23.06.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2022. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Sie meint, sie hätte in der weiteren Altenpflegeeinrichtung der Beklagten weiter beschäftigt werden können. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin eine Beschäftigung in dieser zweiten Einrichtung angeboten und die Klägerin dieses Angebot abgelehnt hat. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Auch das LAG Köln hält die Kündigung für unwirksam. Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz, auch zu geänderten Arbeitsbedingungen, weiter zu beschäftigen. Eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anzubieten. Es hätte hier eine ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen werden müssen. Irrelevant sei in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin ein angebliches Angebot, in der zweiten Altenpflegeeinrichtung zu arbeiten, abgelehnt hatte. Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen, und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so sei der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen. Es sei in diesen Fällen nicht fiktiv zu prüfen, ob der Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen bei einem entsprechenden Angebot vor oder mit Ausspruch der Kündigung zumindest unter Vorbehalt angenommen hätte. Der Ausspruch einer Änderungskündigung könne nur dann unterbleiben, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte und ein derartiges Angebot im Gegenteil eher beleidigenden Charakter gehabt hätte. Grundsätzlich habe der Arbeitnehmer selbst zu entscheiden, ob er eine Weiterbeschäftigung unter möglicherweise erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht.