BAG, Urteile vom 05. April 2023, Az. 7 AZR 224/22, 7 AZR 223/22, 7 AZR 222/22
Der Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zuvor zur Arbeitsleistung überlassen war. Hierin liegt kein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit der Arbeitgeberin iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, aufgrund dessen eine sachgrundlose Befristung nicht mehr hätte vereinbart werden können.
Das BAG hat auf die Revision eines Automobilunternehmens hin die Urteile des LAG Niedersachsen vom 21. April 2022 aufgehoben und die verfahrensgegenständlichen Befristungen für wirksam erklärt.
In den entschiedenen Fällen waren die Kläger bei dem Automobilhersteller sachgrundlos vom 01.09.2019 bis zum 31.05.2020 beschäftigt. Zuvor bestanden Arbeitsverhältnisse seit Anfang September 2016 mit einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, das wirtschaftlich mit dem Automobilhersteller verbunden, aber rechtlich selbständig ist. Die Kläger waren von Beginn des Arbeitsverhältnisses zu dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen von diesem im Rahmen der Zeitarbeit bei dem Automobilhersteller eingesetzt. Die früheren Arbeitsverhältnisse mit dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen waren zunächst befristet und wurden jeweils zweimal verlängert, insgesamt dauerten sie ca. 35,5 Monate an.
In einem Tarifvertrag für die Einsatzbranche zwischen dem beklagten Automobilhersteller, dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen und der Gewerkschaft IG Metall war eine Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer auf 36 Monate vorgesehen.
Die Kläger haben sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Automobilhersteller wegen Ablaufs der Befristung gewandt und Rechtsmissbrauch geltend gemacht. Sie vertraten die Auffassung, die Eingliederung bei dem Automobilhersteller aufgrund der Leiharbeit in dem früheren Zeitraum von nahezu drei Jahren habe gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit verstoßen.
Das Arbeitsgericht hat sämtliche Klagen abgewiesen. Das LAG gab der Berufung statt, da auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien wegen fehlender Gewerkschaftszugehörigkeit der Kläger der Tarifvertrag, der eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vorsieht, keine Anwendung fände.
Bei anderen, tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen hat das LAG die Überlassung als rechtswirksam angesehen.
Das BAG sah diese Differenzierung nicht. Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, durch den die nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG gesetzlich festgelegte Überlassungshöchstdauer abweichend geregelt wird, erfordere allein die Tarifgebundenheit des Entleihers. Für den Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmer gelte die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit. Diesbezüglich verweist das BAG auf seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 14. September 2022 (4 AZR 83/21)). Es handele sich bei einer solchen tarifvertraglichen Regelung weder um eine Inhalts- noch eine Betriebsnorm i.S.v. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG. Vielmehr machen die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche von der ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsermächtigung Gebrauch, die sich von den in § 1 Abs. 1 TVG genannten Arten von Tarifnormen und deren unmittelbarer und zwingender Geltung unterscheide.