Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland veröffentlicht (IAB-Kurzbericht 19/2020). Demnach sind die Auswirkungen der Folgen der Corona-Pandemie auf die Arbeitszeitentwicklung erheblich. Nachdem es bei der Entwicklung der durchschnittlichen Arbeitszeit aller voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren stets nur marginale Schwankungen gab in einer Spanne von +0,2 % und -0,3 %, wird der Rückgang im Jahr 2020 laut IAB Prognose bei -3 % gegenüber dem Jahr 2019 liegen.
Aufgrund der unterschiedlichen Maßnahmen und Folgen während der Corona-Krise, angefangen beim Einsatz von Kurzarbeit, dem Abbau der Guthaben von Arbeitszeitkonten, der Reduktion von Überstunden bis hin zum Arbeitsplatzabbau in vielen Branchen, ist das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen – das Produkt aus der durchschnittlichen Arbeitszeit und der gesamten Erwerbstätigenzahl – im Jahr 2020 um -3,9 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. In den Jahren zuvor ist das Arbeitsvolumen pro Jahr stetig gestiegen in einer Spanne von 0,6 % bis 1,2 % jährlich. Im Jahr 2021 wird es voraussichtlich mit wieder steigenden Erwerbstätigenzahlen laut IAB-Prognosen um 3,1 % gegenüber dem Jahr 2020 zunehmen.
Entwicklung der unterschiedlichen Arbeitszeitkomponenten 2019 und Prognosen für 2020 und 2021 im Überblick:
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Vollzeitbeschäftigten lag 2019 mit 38,2 Stunden pro Woche auf dem Vorjahresniveau und wird sich laut IAB-Prognose auch 2020 und 2021 nicht ändern. Aufgrund des beständig sinkenden Minijob-Anteils an allen Teilzeitbeschäftigten, stieg die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten auch 2019 weiter leicht um durchschnittlich 6 Minuten auf 17,6 Stunden an. Dieser Anstieg wird sich in den darauffolgenden Jahren weiter fortsetzen mit 17,8 Wochenstunden im Jahr 2020 und 17,9 Wochenstunden im Jahr 2021. Die bezahlten Überstunden pro Arbeitnehmer nahmen im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Stunden ab und betrugen damit im durchschnittlichen Jahresvolumen pro Beschäftigten 22,3 Stunden. Für das Jahr 2020 prognostiziert das IAB ein Überstundenvolumen von 19,4 Stunden, für 2021 von 21,3 Stunden pro Arbeitnehmer. Die unbezahlten Überstunden, die 2019 vom IAB mit 23,0 Stunden beziffert werden, werden laut Prognose auf ein Jahresvolumen von 21,4 Stunden im Jahr 2020 sinken und 2021 auf 21,9 Stunden leicht ansteigen. Bei dem Ausweis der unbezahlten Überstunden ist zu beachten, dass hierunter auch Überstunden fallen, die zwar nicht separat vergütet, z.B. aber arbeitsvertraglich durch ein entsprechendes Jahresgehalt abgegolten werden – wie dies oftmals bei Führungskräften der Fall ist. Überstunden, die auf Arbeitszeitkonten gebucht werden, sind in den Zahlen der „Überstunden“ nicht enthalten. Sie werden durch die Veränderungen der Salden der Arbeitszeitkonten erfasst.
Die Saldenveränderung der Arbeitszeitkonten lag 2019 bei +0,2 Stunden gegenüber dem Vorjahr und wird Corona-bedingt im Jahr 2020 voraussichtlich bei -4,5 Stunden und 2021 bei -1,1 Stunden pro Arbeitnehmer liegen.
Die Zahl der konjunkturellen Kurzarbeit ist ab März 2020 sprunghaft angestiegen und lag laut IAB im April mit rund 6 Millionen Personen auf einem historischen Höchststand. Im Durchschnitt dieses Jahres wird die Zahl der Kurzarbeiter bei mehr als 2,8 Mio. Personen liegen. Im Jahr 2021 wird sie voraussichtlich wieder auf 835.000 Personen sinken. Insgesamt steigt damit das Ausfallvolumen von 75 Mio. Stunden im Jahr 2019 auf fast 1,5 Mrd. Ausfallstunden in diesem Jahr. Im Jahr 2021 wird sich das Ausfallvolumen laut IAB wieder auf 372 Mio. reduzieren, was immer noch fast das Fünffache des Volumens im Jahr 2019 ist.
Der tarifliche Regelurlaub lag 2019 auf dem seit Jahren unveränderten Niveau von durchschnittlich 29,6 Tagen und wird sich nach Angaben des IAB auch 2020/2021 nicht verändern.
Die ausgefallenen Arbeitstage durch Krankenstand sind 2019 gegenüber 2018 um 0,3 Tage gestiegen. Aufgrund der Corona-Pandemie werden diese voraussichtlich im Jahr 2020 auf 11,2 Tage steigen. Die Prognose für das kommende Jahr liegt bei 11,1 Tagen.
Nach dem Corona-bedingten Lockdown und dem massiven Wirtschaftseinbruch zum 2. Quartal dieses Jahres sind die Folgen bei der Arbeitszeitentwicklung vor allem beim Ausfallvolumen im Rahmen der Kurzarbeit, bei der Saldenveränderung der Arbeitszeitkonten und dementsprechend beim Rückgang des gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumens erkennbar. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit der Voll- aber auch der Teilzeitbeschäftigten bleibt fast unverändert. Interessanterweise prognostiziert das IAB auch beim Krankenstand, bezogen auf die Anzahl der Personen und die Arbeitsstunden, einen nur leichten Anstieg. Vielfach pendeln sich die Prognosen für 2021 wieder auf ein mit dem Jahr 2019 vergleichbares Niveau ein. Deutlich wird bei diesen Entwicklungen, dass Möglichkeiten zur Kurzarbeit und Arbeitszeitflexibilität wichtige Instrumente zur Abfederung von wirtschaftlichen Krisen sind. Dies hatte bereits die Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009 gezeigt. Wichtig ist daher, dass wirklich alle Branchen flächendeckend über ein ausreichendes tarifpolitisches Instrumentarium zur flexiblen Ausgestaltung der Arbeitszeit verfügen, um rechtzeitig in Krisensituationen reagieren zu können.