Befristung – Sachgrund der Vertretung

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LAG Niedersachsen, Urteil vom 11. Mai 2023, Az. 5 Sa 27/23

Weiß ein Arbeitgeber, dass ein befristet eingestellter Arbeitnehmer während der gesamten Vertragsdauer arbeitsunfähig sein wird, kann er die Befristung nicht mit dem Sachgrund der Vertretung rechtfertigen.

In dem entschiedenen Fall war ein Paketzusteller wiederholt mit dem Sachgrund der „Vertretungsbefristung“ befristet beschäftigt. Kurz vor Auslaufen der letzten Befristung verletzte er sich durch ein herabfallendes Paket schwer. Trotz eines Nabelbruches und notwendiger Operation attestierte der behandelnde Arzt jedoch zunächst nur die übliche „voraussichtliche Dauer“ einer Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen. Der Arbeitgeber verlängerte daher die Befristung um einen weiteren Monat mit dem Sachgrund der Vertretung für verschiedene Urlaubsabwesenheiten.

Die Entfristungsklage des Arbeitnehmers beim Arbeitsgericht Oldenburg (Urteil vom 23.11.2022 – 3 Ca 81/22) hatte zunächst keinen Erfolg. Das Gericht erster Instanz hatte in der Erkrankung des Arbeitnehmers einen „subjektiven Umstand“ gesehen, „welcher den maßgeblichen objektiv vorliegenden lediglich vorübergehenden Beschäftigungsbedarf“ nicht berühre. Das LAG Niedersachsen sah dies anders und beurteilte die Befristung als unwirksam, das Arbeitsverhältnis somit als unbefristet fortbestehend.

Da der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die Schwere der Arbeitsunfähigkeit informiert habe, sei es „vollkommen lebensfremd“, dass er innerhalb eines Monats an seinen Arbeitsplatz zurückkehre. Der Arbeitgeber habe sicher von einer mindestens mehrwöchigen Erkrankung ausgehen müssen. Für eine wirksame Berufung auf den Befristungsgrund der Vertretung habe somit der notwendige Zusammenhang zwischen dem Ausfall der zu vertretenden Arbeitnehmenden und dem Zweck der Befristung, den vorübergehenden Arbeitsbedarf abzudecken, gefehlt. Die Befristung sei „völlig sinnlos“, da der befristet Beschäftigte die Vertretung „nicht einmal ansatzweise erfüllen“ könne.

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage bleibt abzuwarten.