Betriebsrätemodernisierungsgesetz

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Der Bundestag hat am 21.05.2021 in zweiter und dritter Lesung das „Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt“ (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales verabschiedet. Am 28.05.2021 hat der Bundesrat im beschleunigten Verfahren abschließend über das Gesetz beraten und es gebilligt. Nach der Verkündung des Gesetzes am 14.06.2021 ist es am Folgetag in Kraft getreten.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz können Sie hier herunterladen.

Beschlossen wurde damit auch der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, zu dem die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) anlässlich der Ausschussanhörung kritisch Stellung genommen hatte. Das Gesetz enthält im Wesentlichen folgende Neuregelungen:

  1. Erleichterung von Betriebsratsgründungen und –wahlen
  • Absenken des Alters für Wahlberechtigte auf das 16. Lebensjahr (statt bisher 18. Lebensjahr) (§ 7 BetrVG)
  • Ausweitung des Anwendungsbereichs des vereinfachten Wahlverfahrens: Zwingend ist es nun für Betriebe mit 5 bis 100 (statt bisher 50) wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 14 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Fakultativ ist die Regelung für 101 bis 200 wahlberechtigte Arbeitnehmer (§ 14 a Abs. 5 BetrVG).
  • Reduzierung der „Stützunterschriften“ (§ 14 Abs. 4 BetrVG) und Begrenzung des Rechts zur Wahlanfechtung: Wahlberechtigte sollen eine unrichtige Wählerliste nur bei vorherigem ordnungsgemäßen Einspruch erfolgreich anfechten können (§ 19 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Fehler aufgrund eigener unrichtiger Angaben sollen Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr geltend machen können (§ 19 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
  • Ausweitung des Kündigungsschutzes: Die ersten 6 (statt bisher 3) in der Einladung zu einer Betriebsversammlung oder Bestellung eines Wahlvorstandes aufgeführten Arbeitnehmer sollen Kündigungsschutz haben (§ 15 Abs. 3 a Satz 1 KSchG). Zudem sollen nun auch Vorbereitungshandlungen geschützt sein, indem Arbeitnehmer Kündigungsschutz haben, sobald sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, einen Betriebsrat errichten zu wollen (§ 15 Abs. 3 b KSchG).

 

  1. Erleichterung bei Wahl der Jugend- und Ausbildungsvertretung

Nur kleine Änderungen soll es bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung geben (§ 63 Abs. 4 Satz 1 Abs. 5 BetrVG). Für die Errichtung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen und das Engagement in derselben soll es künftig nicht mehr auf das Lebensalter der Azubis ankommen (bisher galt eine Altersgrenze von 25 Jahren) (§ 60 Abs. 1 BetrVG).

 

  1. Digitalisierung der Betriebsratsarbeit
  • Digitale Sitzungen und Beschlussfassungen: Die während der Corona-Pandemie befristet eingeführte Möglichkeit, Sitzungen und Beschlüsse digital durchzuführen (§ 129 BetrVG), bleibt im Grunde bestehen (§§ 30 Abs. 1 Satz 5, 33 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 3 BetrVG). Eine vergleichbare Regelung gibt es für den Sprecherausschuss (§§ 12 Abs. 5 – 7, 13 Abs. 1 SprAuG). Sitzungen sollen aber auch in Zukunft vorrangig in Präsenz durchgeführt werden (§ 30 Abs. 1 Satz 5 BetrVG).
  • Abschluss von Betriebsvereinbarungen/ Einigungsstellenbeschlüssen in elektronischer Form: Eine große Erleichterung birgt die Möglichkeit, Beschlüsse der Einigungsstelle und Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form niederzulegen, das heißt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen (§§ 76 Abs. 3 Satz 4, 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Das Gleiche gilt für Interessenausgleich und Sozialplan (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) sowie Richtlinien und Vereinbarungen des Sprecherausschusses (§ 28 SprAuG).
  • Datenschutz: Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist nach der gesetzlichen Neuregelung in § 79 a BetrVG der Arbeitgeber für die Verarbeitung verantwortlich im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Nach der weiteren Regelung in § 79 a BetrVG ist der Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit verpflichtet über Informationen, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrates zulassen.

 

  1. Mitbestimmung bei mobiler Arbeit

Nach den pandemiebedingten Erfahrungen mit Home-Office und mobiler Arbeit wurde in § 87 Abs. 1 BetrVG eine neue Nr. 14 eingefügt. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. Dies bedeutet, dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, ob überhaupt mobil gearbeitet wird. Diese Entscheidung bleibt dem Arbeitgeber vorbehalten.

 

  1. Einbindung des Betriebsrates bei KI

Betriebsräte haben künftig nach der Neuregelung in § 80 Abs. 3 BetrVG die Möglichkeit, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, wenn die Einführung oder Anwendung von KI in Rede steht. Die Erforderlichkeit wird insofern fingiert. Auch können sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen für KI verständigen.

 

  1. Rechte des Betriebsrates bei Weiterbildung

Das bereits bestehende Initiativrecht des Betriebsrates im Bereich der Förderung der Berufsbildung nach § 96 BetrVG wird um einen neuen Absatz 1 a ergänzt, der dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnet, bei Bedarf die Einigungsstelle anzurufen. Ein Einigungszwang gilt nach der Gesetzesbegründung aber ausdrücklich nicht. Die Sinnhaftigkeit der Neuregelung ist daher höchst fragwürdig, da sie nur zeit- und kostenintensiv ist.

 

  1. Unfallversicherungsschutz bei mobiler Arbeit

In Anbetracht der mit der Corona-Pandemie verbundenen wachsenden Bedeutung der Arbeit im Home-Office wurde eine entsprechende Lücke im gesetzlichen Unfallversicherungsschutz mit einer Ergänzung in § 8 Abs. 1 SGB VII geschlossen. Danach gilt bei mobiler Arbeit derselbe Unfallversicherungsschutz wie in der Unternehmensstätte.

 

Nach einer Bewertung der BDA bleibt es trotz der im Gesetzgebungsverfahren noch erzielten Änderungen in einer Gesamtbeurteilung dabei, dass mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz noch mehr Bürokratie und vor allem neue Kostenbelastungen für die Betriebe entstehen werden. Der wirkliche Modernisierungsbedarf des Betriebsverfassungsgesetzes wird an keiner Stelle nachhaltig berücksichtigt oder gar umgesetzt. Mit dem zur Überwindung der Pandemie vom Bundeskabinett beschlossenen Belastungsmoratorium lassen sich all diese Änderungen nicht vereinbaren.

Zu den Änderungen im Detail und den möglichen praktischen Folgen des Gesetzes wird die BDA eine Handreichung erstellen, die wir Ihnen dann zur Verfügung stellen werden.