Datenverwertung für eine Kündigung trotz Verstoßes gegen Betriebsvereinbarung

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Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat jetzt im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass Arbeitgeber Daten, die unter Verstoß gegen Regelungen in einer Betriebsvereinbarung erlangt wurden, in einem Kündigungsschutzprozess verwerten können. Ein Verwertungsverbot kann sich allenfalls aus einem schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ergeben. Diese Vorgaben müssen die Betriebsparteien bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen im Blick behalten.

In dem vom Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21.03.2022 (1 Sa 374/20) entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit mehrerer fristloser und ordentlicher Kündigungen. Der seit knapp 5 Jahren beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigte Kläger besuchte mit weiteren Kollegen eine Fortbildungsveranstaltung. Die Teilnehmer waren in einem Hotel untergebracht, in dem sie an 4 Tagen frühstückten. Vor der Abreise zahlten einige Kollegen die ihnen ausgehändigten Rechnungen. Diese wiesen jeweils einen Gesamtpreis von 380,00 € aus und differenzierten bezüglich der mit 7 % MwSt. ausgewiesenen Kosten für Logis und der mit 19 % MwSt. ausgewiesenen Kosten für „sonstige Leistungen“. Später unterhielten sich die Mitarbeiter der Beklagten darüber, ob die Kosten für das Frühstück richtig ausgewiesen seien. Schließlich nahm der Hotelmanager die bereits beglichenen Rechnungen zurück und stellte für alle Mitarbeiter der Beklagten neue Rechnungen aus, die nicht mehr erkennen ließen, dass auch Kosten für das Frühstück angefallen waren.
Die Beklagte gewährt im Zusammenhang mit Übernachtungen eine Verpflegungspauschale. Diese wird gekürzt, wenn den Mitarbeiter für Mahlzeiten keine eigenen Kosten entstanden sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Kosten bereits in einer eingereichten Hotelrechnung enthalten sind. Die Mitarbeiter müssen im Abrechnungssystem durch Setzen eines Hakens dann angeben, für welche Mahlzeiten keine eigenen Kosten entstanden sind.

Als der Kläger über das Abrechnungssystem der Beklagten Kostenerstattung beantragte, legte er die neue, nicht mehr differenzierende Hotelrechnung vor. Er machte nicht durch Setzen eines Hakens kenntlich, dass ihm für das Frühstück keine Kosten entstanden waren. Nach mehrfacher Anhörung aller Teilnehmer der Gruppe kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos und gleichzeitig ordentlich. Dabei stützte sie sich u. a. auf das Unterlassen der Angabe des Frühstücks. Diese Information stammt naturgemäß aus dem Abrechnungssystem der Beklagten. Dieses ist bei der Beklagten Gegenstand einer Betriebsvereinbarung. Danach muss der Betriebsrat der Auswertung von Systemdaten durch die Beklagte zustimmen. Eine solche Zustimmung des Betriebsrates lag nicht vor.

Das LAG Sachsen hielt in seiner Entscheidung die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses für wirksam. Das Unterlassen der Angabe des Frühstücks bei der Reisekostenabrechnung rechtfertige die Kündigung. Der Kläger habe den Anschein erweckt, ihm seien eigene Kosten für das Frühstück angefallen. Der Vortrag der Beklagten zum nicht gesetzten Haken im Abrechnungssystem ist nach Auffassung des LAG verwertbar. Ein Verwertungsverbot würde den Anspruch auf rechtliches Gehör unzulässig einschränken. Es komme allenfalls bei schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht in Betracht. Selbst wenn man einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers annehme, überwiege das Interesse der Beklagten, ihre Ansprüche bei Missbrauch des Abrechnungssystems mit Aussicht auf Erfolg geltend machen zu können. Das Verhalten des Klägers habe zu einem so hohen Vertrauensverlust geführt, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Der Beklagten könne nicht mehr zugemutet werden, ihre Vermögensphäre für den Kläger zu öffnen. Das wiederrum sei aber für die Erstattung von Auslagen unvermeidlich.

Mit seiner Entscheidung folgt das LAG Sachsen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass in der Vergangenheit mehrfach entschieden hat, dass eine Missachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates oder die Verletzung einer Betriebsvereinbarung keinen Einfluss auf die Frage der Verwertung von Informationen im Prozess hat. Ein Verwertungsverbot stehe weder im BetrVG noch in der ZPO. Maßstab sind nach Auffassung des BAG allein die allgemeinen Grundsätze zu den Verwertungsverboten. Insofern können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein.