Einsichtnahme in die Wahlunterlagen der Betriebsratswahl

Aktuelle Rechtsprechung, Newsletter

Aus der in § 19 der Wahlordnung (zu den Betriebsratswahlen) geregelten Pflicht des Betriebsrates die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren ergibt sich grundsätzlich auch ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten.

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren (7 TaBVGa 1213/21) hat sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Arbeitgeber ein Recht auf Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl zusteht. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Die Arbeitgeberin hatte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren vom Betriebsrat die Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 17.06.2021, die von der Arbeitgeberin angefochten worden war, begehrt. Das Arbeitsgericht hatte in der ersten Instanz mit Beschluss die Anträge der Arbeitgeberin auf vollständige Einsicht in die Wahlakten, hilfsweise vollständige Einsicht in die Briefwahlunterlagen, zurückgewiesen. Zur Begründung hatte das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch durch die Arbeitgeberin sei durch die Einsichtnahme am 28.06.2021 erfüllt. Anspruch auf Einsicht in die Briefwahlunterlagen habe die Arbeitgeberin nicht, weil sie ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme in die Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse gezogen werden könnten, sich nicht an der Wahl beteiligt zu haben, nicht dargetan habe.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss abgeändert und dem Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, der Arbeitgeberin vollständige Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl zu gewähren.

Das Landesarbeitsgericht führt aus, dass die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Einsichtnahme in die vollständigen Wahlakten habe, der noch nicht erfüllt wurde. Aus der in § 19 Wahlordnung (WO) normierten Pflicht des Betriebsrates, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren ergebe sich grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten. Die Aufbewahrungspflicht gemäß § 19 WO solle es ermöglichen, auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis zu nehmen, um die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen zu können. Diese Befugnis stehe nicht nur dem Betriebsrat zu, der die Wahlakten aufzubewahren hat und dessen Mitglieder deshalb jederzeit ohne Weiteres die Möglichkeit hätten, Wahlakten einzusehen. Vielmehr ergebe sich aus dem Zweck der Aufbewahrungspflicht auch ein berechtigtes Interesse derjenigen an der Einsichtnahme in die Wahlakten, für die die Gültigkeit der Betriebsratswahl von Bedeutung sei. Dies seien zumindest diejenigen Personen und Stellen, die nach § 19 Abs. 2 Satz BetrVG berechtigt sind, die Betriebsratswahl anzufechten.

Das Recht des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten der Betriebsratswahl gelte im Hinblick auf das nach § 14 Abs. 1 BetrVG auch für die Betriebsratswahl gewährleistete Wahlgeheimnis nicht uneingeschränkt für die Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden könnten. Die Einsichtnahme dieser Unterlagen sei nur zulässig, wenn dies zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich sei. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei im vorliegenden Fall jedoch ein Anspruch der Arbeitgeberin auf Einsicht in die vollständigen Wahlakten zu bejahen. Die Arbeitgeberin habe dargetan, dass die Einsichtnahme zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Wahl erforderlich sei. Ferner habe die Arbeitgeberin dargetan, dass sie die Einsichtnahme in diese Unterlagen benötige, um prüfen zu können, ob es Fehler im Wahlverfahren gegeben habe, die sich noch im Anfechtungsprozess vortragen könne und müsse.