LAG Hamm, Urteil vom 27. Januar 2023, Az.13 Sa 1007/22
Der 10-minütige Besuch in einem Café ohne Ausloggen aus dem Zeiterfassungssystem kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
In dem entschiedenen Fall hatte der Vorgesetzte die seit acht Jahren beschäftigte, schwerbehinderte Raumpflegerin während der Arbeitszeit in dem Café beobachtet. Zuvor hatte er von Mitarbeitenden erfahren, dass sie regelmäßig dort hinginge, ohne dies als Pausenzeit zu buchen. Der Vorgesetzte sprach die Raumpflegerin auf seine Beobachtung und die Aussagen der Mitarbeitenden an. Sie beteuerte aber, sich im Keller aufgehalten zu haben. Erst als der Vorgesetzte ankündigte, ihr Bilder auf seinem Handy zu zeigen, die den Aufenthalt in dem Café belegen, gab sie diesen zu. Der Chef sprach daraufhin die fristlose Kündigung aus.
Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht, als auch beim LAG keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass Arbeitszeitbetrug „an sich“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sei. Arbeitgebende müssten sich auf die korrekte Erfassung der Arbeitszeit verlassen können, die vorsätzlich falsche Erfassung führe zu einem erheblichen Vertrauensbruch. Dieser sei hier noch dadurch verstärkt worden, dass die Arbeitnehmende den Verstoß zunächst hartnäckig geleugnet hatte. In einer solchen Situation sei auch eine Abmahnung entbehrlich gewesen.
Ähnlich sah dies das LAG Thüringen in seinem Urteil vom 3. Mai 2022 (Az: 1 Sa18/21).
Werden Raucherpausen trotz vertraglicher Dokumentationspflicht nicht als Arbeitspausen dokumentiert, so liegt ein Arbeitszeitbetrug vor, der geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu begründen.
Die Mitarbeiterin war als Jobvermittlerin über dreißig Jahre in einem Jobcenter der Arbeitsagentur beschäftigt. Dort gilt die Regelung, dass Beschäftigte die Arbeitszeit beim Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes erfassen müssen, ebenso die Raucherpausen oder andere Pausen in der Kantine oder am Arbeitsplatz. 2019 ergaben Überprüfungen, dass die Mitarbeiterin an drei Tagen in Folge keine einzige Pause gebucht hatte, allerdings ihre digitale Karte zum Betreten des Gebäudes mehrfach am Tag genutzt hatte. Der Arbeitgeber forderte sie auf, zu dieser möglichen Arbeitszeitmanipulation Stellung zu nehmen.
Die Arbeitnehmerin gab daraufhin zu, dass sie in den genannten Zeiten Zigarettenpausen gemacht habe, die sie als Raucherin benötige. Gleichzeitig versicherte sie, dass der eingerissene „Schludrian“ ein Ende habe und sie ab sofort ihre Raucherpausen korrekt aufzeichne. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos, hilfsweise fristgerecht. Nach Auffassung der Jobvermittlerin war die Kündigung nicht rechtmäßig. Hierzu brachte sie vor, dass „wilde Raucherpausen“ jahrelang toleriert wurden, sodass eine betriebliche Übung entstanden sei. Zudem sei sie kein einziges Mal abgemahnt worden und aufgrund ihrer Nikotinsucht könne der Arbeitgeber sie allenfalls krankheitsbedingt kündigen.
Das LAG Thüringen musste nur noch über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung entscheiden, da die Vorinstanz bereits rechtskräftig die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung festgestellt hatte. Aus Sicht des Gerichts war die Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Verstöße gegen Dokumentationspflichten und des daraus folgenden Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt. Das wiederholte Nichtbuchen der Pausen und damit verbundene Erschleichen von bezahlter Freizeit stelle einen gravierenden Vertrauensbruch dar, der die Kündigung auch bei einer langjährigen Betriebszugehörigkeit rechtfertige.
Das LAG Thüringen machte in seiner Urteilsbegründung deutlich, dass bei einer besonders schwerwiegenden Pflichtverletzung – wie bei falschen Arbeitszeitaufzeichnungen – eine Abmahnung entbehrlich sei, da in diesen Fällen regelmäßig das notwendige Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört sei.