Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat am 19. Mai 2021 die Zahlen zur Tarifbindung im Jahr 2020 veröffentlicht.
Die Übersicht können Sie hier herunterladen.
Die Befunde zur Tarifbindung beruhen auf einer Befragung von rund 16.000 Betrieben aus West- und Ostdeutschland im Rahmen des IAB-Betriebspanels. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die rund 2 Mio. Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.
Unmittelbare und mittelbare Tarifbindung
Insgesamt fanden im Jahr 2020 in 48 % aller Betriebe mit 71 % aller Beschäftigten direkt oder indirekt Tarifverträge Anwendung. In Westdeutschland lag dieser Anteil bei 50 % der Betriebe mit 72 % der Beschäftigten und in den ostdeutschen Bundesländern bei 38 % der Betriebe mit 63 % der Beschäftigten. Damit ist die unmittelbare und mittelbare Tarifabdeckung in Gesamtdeutschland gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen, wobei diese Entwicklung vor allem auf den Rückgang der mittelbaren Tarifbindung zurückzuführen ist.
- Unmittelbare Tarifbindung
Die unmittelbare Bindung der Betriebe an einen Branchentarifvertrag bzw. Firmentarifvertrag ist im Vergleich zum Vorjahr in Westdeutschland um einen Prozentpunkt auf 28 % und in Ostdeutschland um zwei Prozentpunkte auf 18 % gesunken. Der Anteil der durch Tarifverträge erfassten Beschäftigten ist in Westdeutschland mit 53 % stabil geblieben. In Ostdeutschland ist der Anteil der Beschäftigten, die in tarifgebundenen Betrieben arbeiten um zwei Prozentpunkte zurückgegangen und lag 2020 bei insgesamt 43 % der Beschäftigten. Für Gesamtdeutschland ist damit die unmittelbare Tarifbindung der Betriebe an einen Branchentarifvertrag bzw. Firmentarifvertrag und der Anteil der Beschäftigten gegenüber 2019 um jeweils ein Prozentpunkt gesunken und lag damit 2020 bei 26 % der Betriebe mit 51 % der Beschäftigten.
- Orientierung an einem Tarifvertrag
Der Anteil der Betriebe in Deutschland, die keiner Tarifbindung unterliegen, aber angaben sich an einem Branchentarifvertrag zu orientieren, sank im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozentpunkte auf insgesamt 22 %. Ebenso stark fiel der Rückgang in Ostdeutschland aus, in Westdeutschland lag das Minus sogar bei acht Prozentpunkten. Somit lag der Anteil der Betriebsorientierung an einem Branchentarifvertrag bei 22 % in West- und 20 % in Ostdeutschland. Der betroffene Beschäftigtenanteil sank für Gesamtdeutschland um fünf Prozentpunkte auf insgesamt 20 %. Dieser Rückgang fiel in Westdeutschland ebenfalls so hoch aus und lag damit bei insgesamt 19 %, in Ostdeutschland sank der Anteil der Beschäftigten um vier Prozentpunkte auf 20 %.
Für die Mehrzahl von Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland sind nach einer Bewertung der BDA auch heute noch Tarifverträge maßgebend. Das verdeutlichen die aktuellen Zahlen des IAB-Betriebspanels. Der Anteil der Betriebe, die keiner Tarifbindung unterliegen, aber angeben, sich an einem Branchentarifvertrag zu orientieren ist 2020 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Das IAB führt diesen Rückgang auf eine veränderte Fragestellung im IAB-Betriebspanel zurück. Zudem wurden die Interviews im letzten Jahr nicht persönlich, sondern telefonisch bzw. schriftlich durchgeführt. Daher kann es nach Angaben des IAB zu Verständnisproblemen gekommen sein. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben nach Auffassung der Wissenschaftler sicherlich auch einen Einfluss auf diese Entwicklung. Dies verdeutlicht, wie wichtig die Fortführung tarifpolitischer Modernisierungsbestrebungen hin zu schlankeren Tariflösungen und mehr Flexibilität auch in Zukunft ist. Politische Einmischungen zur vermeintlichen Stärkung der Tarifbindung in Deutschland sind dabei vollkommen kontraproduktiv.
Weitere Informationen finden Sie im IAB-Forum unter
https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/tarifbindungabnahme.aspx