Der Fachkräftemangel stellt eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft dar und betrifft Unternehmen verschiedenster Branchen. Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel, welche Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um diesem Problem zu begegnen, und welche Rolle spielt der Arbeitgeberverband in diesem Zusammenhang? Unser Hauptgeschäftsführer, Bernd Wiechel hat im Interview mit der Lünepost dazu Stellung bezogen.
In welcher Branche ist besonders ein (Fach)Kräftemangel zu verzeichnen?
Grundsätzlich verzeichnen wir einen Arbeitskräftemangel in nahezu allen Bereichen. Besonders betroffen sind jedoch die Bereiche Pflege, Gastronomie, Einzelhandel, Logistik, MINT-Berufe und das Handwerk
Welche Branche ist ausreichend abgedeckt mit Kräften?
Wir kennen eigentlich kaum eine Branche, die nicht von einem Arbeitskräftemangel betroffen ist. Zu den Bereichen, in denen die Situation scheinbar noch nicht so angespannt ist, gehören wohl beispielsweise die Banken und Versicherungen.
Was müsste politisch oder gesellschaftlich passieren, um das Problem zu lösen?
Aufgabe der Politik muss es sein, Arbeit wieder attraktiv zu machen. Die ständig steigende Belastung mit Steuern und Sozialabgaben trägt nicht dazu bei, die Motivation für ein verstärktes Arbeitsengagement zu steigern, insbesondere wenn auf der anderen Seite Sozialleitungen jenseits des Arbeitsmarktes erhöht werden.
Auch sollte einmal über eine Entbürokratisierung im Arbeitsleben nachgedacht werden. Wenn Pflegekräfte zunehmend damit beschäftigt sind, ihre Arbeit zu dokumentieren, statt zu pflegen, müssen wir uns nicht wundern, dass die Arbeitskräfte nicht ausreichen. Mit Gesetzen wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder Hinweisgeberschutzgesetz werden neue bürokratische Aufgaben für Unternehmen geschaffen, die weitere Arbeitskräfte jenseits der wirklichen Wertschöpfung erfordern. Dieser Bürokratismus muss aufhören.
Dies Punkte sind auch deshalb von besonderer Relevanz, weil sie für viele Fachkräfte der Grund sind, dieses Land für einen besseren Arbeitsplatz im Ausland zu verlassen. Die USA und Skandinavien sind nach wie vor attraktive Arbeitsmärkte.
Maßgeblich ist natürlich nach wie vor eine gute schulische Ausbildung, ein möglichst lückenloser Übergang von Schule in den Beruf durch eine intensive Berufsorientierung an allen Schulen, auch an den Gymnasien, und eine abgeschlossene Berufsausbildung. In Deutschland haben 2021 fast 50.000 Schüler ohne Hauptschulabschluss die Schulen verlassen. Zudem gab es in Deutschland noch nie so viele 20- bis 34-Jährige ohne Berufsabschluss: Mehr als 2,5 Millionen im Jahr 2021.
Insofern benötigen wir dringend eine bessere Unterrichtsversorgung an den Schulen, müssen aber von Jahr zu Jahr einen Rückgang zur Kenntnis nehmen. Zudem darf hinterfragt werden, ob in jedem Fall das Studium der richtige Weg in die berufliche Zukunft ist, oder ob eine duale Berufsausbildung nicht doch zielführender ist.
Schließlich wird es auch darauf ankommen, weiter ausländische Fachkräfte für unser Land und unseren Arbeitsmarkt zu gewinnen. Hier dauern sowohl die Aufenthaltsverfahren als auch die Anerkennung der ausländischen Abschlüsse nach wie vor viel zu lange und eine richtige Willkommenskultur hat sich in unserem Land auch noch nicht so recht entwickelt.
Was müssen Arbeitgeber tun, um entsprechend Mitarbeiter zu gewinnen?
Die Arbeitgeber müssen weiter bereit sein, auch weniger qualifizierte Mitarbeiter einzustellen und zu versuchen, Defizite in der fachlichen Eignung durch Nachqualifizierung auszugleichen.
Zudem sollten Unternehmer versuchen, gemeinsam mit den Arbeitnehmern Einstellungshemmnisse zu beseitigen, beispielsweise durch Unterstützung bei der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes (Fahrtkostenzuschüsse etc.) oder der Unterbringung (Unterstützung bei der Wohnungssuche). Hier sind uns einige gute Beispiele in den Mitgliedsfirmen unseres Verbandes bekannt, in denen etwa Wohnraum geschaffen oder zur Verfügung gestellt wurde.