Der Betriebsrat hat nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz kein Mitbestimmungsrecht, insbesondere kein Initiativrecht, zur Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Mit einem Beschluss vom 05.11.2019 (7 TaBV 1728/19) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht zusteht. Gleichzeitig hat sich das Landesarbeitsgericht mit der Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit einer Einigungsstelle auseinandergesetzt. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Der antragstellende Betriebsrat warf der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Fachkraft für Arbeitssicherheit vor, nicht ausreichend für den Arbeitsschutz tätig zu werden. Vor diesem Hintergrund regte er gegenüber der Arbeitgeberin an, den Mitarbeiter als Fachkraft für Arbeitssicherheit abzuberufen. Nachdem die Arbeitgeberin dieses Ansinnen zurückgewiesen hatte, beschloss der Betriebsrat, seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen und ggf. gerichtlichen Geltendmachung des Mitbestimmungsrechtes bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit zu beauftragen. In seiner Sitzung vom 03.09.2019 beschloss der Betriebsrat ferner, die Einigungsstelle zum Verhandlungsgegenstand „Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit“ anzurufen und das Beschlussverfahren nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz einzuleiten.
Das Arbeitsgericht hat darauf durch Beschluss die Einigungsstelle eingesetzt, einen Vorsitzenden bestimmt und die Zahl der Beisitzer auf je zwei pro Seite festgesetzt. Die Arbeitgeberin rügte im Beschwerdeverfahren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates und bestritt, dass die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 03.09.2019 schon vor dem 30.08.2019 den entsprechenden Tagesordnungspunkt vorgesehen habe und sämtlichen ordentlichen Betriebsratsmitgliedern und ggf. Ersatzmitgliedern rechtlich zugegangen sei. Die Beschwerde blieb jedoch vor dem LAG erfolglos.
Das LAG merkt an, dass der Antrag zulässig sei. Darüber hinaus sei das Einigungsstellenverfahren nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz ordnungsgemäß bei Gericht eingeleitet worden und die Einigungsstelle sei auch nicht offensichtlich unzuständig. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn in Rechtsprechungen und Literatur umstritten ist, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht und es an einer Klärung durch das Bundesarbeitsgericht fehlt. Hier könne eine Zuständigkeit der Einigungsstelle im Rahmen des Verfahrens nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz nicht verneint werden. Denn es sei dann Sache der Einigungsstelle, ihre Zuständigkeit zu prüfen und eine entsprechende Entscheidung zu treffen, die im normalen Beschlussverfahren unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter und dem vollständigen Instanzenzug überprüft werden könne. Bei Beachtung dieses Maßstabes erweise sich die Einigungsstelle im vorliegenden Fall als nicht offensichtlich unzuständig. Zwar spreche, so das LAG, der Gesetzeswortlaut in § 9 Arbeitssicherheitsgesetz gegen ein Initiativrecht des Betriebsrates bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und damit gegen eine Zuständigkeit der Einigungsstelle für einen solchen Antrag. Nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz sind Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung des Betriebsrates zu bestellen und abzuberufen. Das Gleiche soll bei deren Aufgabenerweiterung oder –einschränkung gelten. Diesbezüglich wird auf § 87 BetrVG verwiesen. Diese Grundsätze gelten nur bei der Bestimmung von Arbeitnehmern als solche Personen, nicht aber bei der Verpflichtung von freiberuflich Tätigen. In letzterem Fall sei der Betriebsrat „nur“ anzuhören. Das Gesetz sehe daher für den Fall der Abberufung ausdrücklich nur die „Zustimmung“ des Betriebsrates vor. Eine „Zustimmung“ setze aber bereits begrifflich eine Maßnahme des Arbeitgebers voraus; nur einer solchen Vorgabe durch den Arbeitgeber kann der Betriebsrat also auch „zustimmen“.
Das LAG Hamm sei jedoch in einem Beschluss vom 07.01.2008 (10 TaBV 125/07) in Bezug auf einen Betriebsarzt davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anstellung eines Betriebsarztes durch Arbeitsvertrag geeinigt haben, der Betriebsrat bei der Abberufung des jeweiligen Betriebsarztes mitzubestimmen habe. Diese Auffassung überzeugte jedoch das LAG Berlin-Brandenburg nicht. Das LAG führt aus, dass es zunächst schon nicht nahe läge, von einer unbewussten gesetzlichen Regelungslücke auszugehen. Der Gesetzgeber habe vielmehr die Begrifflichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes gekannt, was sich bereits daraus ergebe, dass er im Satz 2 des Absatzes 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes von § 87 BetrVG spreche. Wenn es dann im Gesetz heiße „mit Zustimmung des Betriebsrates“ müsse diese Gesetzesformulierung als maßgeblich angesehen werden. Hätte der Gesetzgeber dem Betriebsrat ein dem § 87 BetrvG entsprechendes Mitbestimmungsrecht einräumen wollen, so hätte er dies ohne Weiteres tun können. Im Hinblick auf die in der Literatur vertretene Auffassung, dem Betriebsrat stünde ein volles Mitbestimmungsrecht und auch ein Initiativrecht zu, sei vorliegend von einer ungeklärten Rechtsfrage auszugehen. Denn die insoweit streitige Frage sei vom BAG noch nicht entschieden worden. Damit war nach den obigen Grundsätzen die Einigungsstelle nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz einzusetzen. Diese habe dann in eigener Kompetenz ihre Zuständigkeit zu klären.