Auch die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren greift für Urlaubsansprüche nur dann, wenn der Mitarbeiter vorab darauf hingewiesen wurde, seinen (Rest-) Urlaub zu nehmen. Diese neue Voraussetzung hat der EuGH in seinem Urteil vom 22.9.2022 – C-120/21 entwickelt.
In einem Urteil vom 22.9.2022 – C-120/21 – hat sich der EuGH wieder einmal mit dem Urlaubsrecht befasst, dieses Mal mit der Frage , ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt. Die Frage wurde relevant, da den gesetzlich geltenden Verfallsregeln zuvor vom EuGH Hinweispflichten als zusätzliche Verfallsvoraussetzung vorgeschaltet worden waren, die den Mitarbeiter in die Lage versetzen sollen, den Urlaub tatsächlich zu nehmen (EuGH Urt. v. 6. November 2018 – C-684/16).
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Die Klägerin war von 1996 bis Juli 2017 bei der Beklagten beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Klägerin von der Beklagten für die von ihr zwischen 2013 und 2017 nicht genommenen 101 Tage bezahlten Jahresurlaubs eine Urlaubsabgeltung. Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin den Jahresurlaub abzugelten. Der Anspruch sei – wenn schon nicht bereits verfallen – dann jedenfalls verjährt, weil die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finde.
Das mit der Sache zunächst befasste Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Ansicht, dass die Ansprüche der Klägerin für die Jahre 2013 bis 2016 jedenfalls nicht nach den Verfallsregeln des BUrlG (spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres) erloschen seien, weil ihr ehemaliger Arbeitgeber sie nicht mit einem schriftlichen Hinweis in die Lage versetzt habe, ihren bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen. Aus dem gleichen Grund hat das BAG Zweifel, ob die dann womöglich geltende allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finden kann, oder ob dort die gleichen Obliegenheiten gelten, wie bei den Verfallsregeln des Urlaubsrechts. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH diese Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der EuGH bestätigte die Zweifel des BAG nun. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU sind nach Auffassung des EuGH dahin auszulegen, dass sie auch einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen, indem er den Arbeitnehmer auf den bestehenden Resturlaub und eine drohende Verjährung hingewiesen hat.
Es sei dabei zwar richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Dieses Interesse sei allerdings dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber davon abgesehen habe, den Arbeitnehmer mit einem entsprechenden schriftlichen Hinweis auf den Resturlaub in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, und sich somit selbst in diese Situation gebracht habe.
Eine solche Situation sei nämlich nicht mit derjenigen vergleichbar, wenn die längere Abwesenheit des Arbeitnehmers auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen sei. Hier sei ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran anzuerkennen, sich nicht der Gefahr einer Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten gegenüberzusehen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können.
In einer Situation wie der vorliegenden ist es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, indem er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommt. Damit wird die gebotene Rechtssicherheit gewährleistet, ohne dass das in der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub eingeschränkt wird.
Unsere Empfehlung:
Die Hinweisobliegenheiten auf den Urlaub gelten nun auch für die Verjährung. Urlaubsansprüche könnten sich also über Jahre ansammeln, wenn man den vom EuGH eingeführten Obliegenheiten nicht nachkommt. Wir empfehlen deshalb: Weisen sie Ihre Mitarbeiter zweimal jährlich (im ersten und dritten Quartal) auf seinen individuellen Urlaubsanspruch und den drohenden Verfall hin. Muster dazu finden Sie in unserem Downloadcenter.