Das Bundesarbeitsministerium hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung – SGB III-Modernisierungsgesetz vorgelegt. Der Referentenentwurf ist ein „Sammelgesetz“ und enthält verschiedene Regelungen unter anderem zu Jugendlichen, Anerkennungsberatung, Kurzarbeit, Weiterbildung und Gründungszuschuss. Er enthält im Wesentlichen folgende Regelungen:
- Vereinfachung bei der Berechnung von Geldleistungen:
Es werden einheitlich die Abzugsbeträge für die Sozialversicherungspauschale, die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag berücksichtigt, die sich zu Beginn des Jahres ergeben, in dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Das gilt auch für die Berechnung von Qualifizierungsgeld und Kurzarbeitergeld. Spätere Änderungen werden daher nicht mehr berücksichtigt. Dies gilt auch für Änderungen, die ggf. rück-wirkend zum Jahresbeginn anzuwenden sind (zum Beispiel steuerrechtliche Änderungen).
- Klarstellungen und Vereinfachungen beim Kurzarbeitergeld:
Auf die Einbringung von Erholungsurlaub zur Vermeidung von Kurzarbeitergeld soll künftig verzichtet werden. Zudem werden Klarstellungen zum Verhältnis von Kurzarbeitergeld und Krankengeld sowie Mutterschaftsgeld vorgenommen. Es wird explizit geregelt, dass in Betrieben des öffentlichen Dienstes kein Kurzarbeitergeld bezogen werden kann. Es wird klargestellt, dass bei Aufnahme einer Beschäftigung im An-schluss an die Beendigung eines Studiums Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann (§ 98 Abs. 1 Nr. 1c SGB III-E).
- Streichung von § 106a SGB III:
Die Regelung zur hälftigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Weiterbil-dung während Kurzarbeit wird aufgehoben.
- Anpassungen bei Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für junge Menschen:
Leistungen, die bisher ausschließlich durch das SGB II gewährt werden konnten, wie z. B. die Förderung schwer zu erreichender junger Menschen, sollen auch im SGB III eingeführt werden (§ 31b SGB III-E). Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure am Übergang Schule-Beruf wird durch verschiedene Regelungen u. a. durch die explizite Aufnahme der Jugendberufsagenturen (§ 10 SGB III-E) und die Verpflichtung zur Zusammenarbeit (§ 9b SGB III-E) betont. Umfassende Beratung wird explizit geregelt (§ 28b SGB III-E), ebenso wie übernommene Unterkunftskosten bei Berufsorientierungspraktika erhöht und die Dauer eine Nachbetreuung ausgeweitet.
- Ausweitung Leistungen zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen:
Unter anderem wird der bisher nur für Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung geltende Eingliederungszuschuss auf Menschen mit Behinderungen ausgeweitet.
- Ausweitung Gründungszuschuss:
Die Restanspruchsdauer auf Arbeitslosengeld als Voraussetzung für den Bezug des Gründungszuschusses wird von 150 Tage auf 90 Tage (§ 93 SGB III-E) reduziert und § 94 SGB III so umformuliert, dass auch die zweite Förderphase keine Ermessensleistung mehr ist.
- Änderungen beim Erreichbarkeitsrecht und Abschaffung Kooperationsplan:
Die Verpflichtung, sich im Rahmen der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung ortsnah aufzuhalten, entfällt. Es genügt fortan, sich im Bundesgebiet oder grenznahen Ausland aufzuhalten (§ 164 Nr. 2 SGB III-E). Die Eingliederungsvereinbarung wird durch ei-nen – nicht rechtsverbindlichen – Kooperationsplan abgelöst.
- Übertragung der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung auf die Bundesagentur für Arbeit (BA):
Die BA wird nach Auslaufen der ESF-Förderung für das IQ-Netzwerk im Jahr 2028 für die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung zuständig (§ 30a SGB III-E). Die Fi-nanzierung erfolgt aus Beitragsmitteln. Bereits ab 1. Januar 2026 soll die BA das Fach- und Erfahrungswissen aufbauen und in Absprache mit den Projektträgern auch selbst beraten (§ 421g SGB III-E).
- Digitalisierung und Automatisierung bei der BA:
Mit § 11 SGB III-E werden Digitalisierung und Automatisierung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Rahmen einer Grundsatznorm mit programmatischem Charakter im SGB III verankert. Die Möglichkeiten der Nutzung von Videotelefonie bei Beratungs- und Vermittlungsgesprächen werden ausgeweitet (§ 141 Abs. 3 SGB III-E).
Bewertung durch die BDA:
Die Regelungen zur Berechnung von Geldleistungen und beim Kurzarbeitergeld schaffen Vereinfachungen und mehr Klarheit bei komplizierten Anwendungsfällen in der Praxis. § 106a SGB III wurde in der Praxis kaum genutzt.
Die Ergänzung des Instrumentenkastens für junge Menschen im SGB III ist – obwohl damit Mehrbelastungen der Arbeitslosenversicherung verbunden sind – nachvollziehbar, da auch jungen Menschen im Zuständigkeitsbereich SGB III multiple Problemlagen haben können. Eine gute Zusammenarbeit aller relevanten Akteure am Übergang Schule-Beruf ist zentral. Alle müssen die Kooperationsarbeit als ihre Hauptverantwortung sehen, sie liegt nicht nur bei den Arbeitsagenturen.
Gründungen zu fördern ist wichtig, allerdings ist dies nicht vorrangige Aufgabe der Arbeitslosenversicherung. Sie ist vertretbar, sofern noch eine Verknüpfung zur Arbeitslosenversicherung besteht. Diese wird durch die Reduzierung der Restanspruchsdauer weiter aufgelöst.
Die Änderungen beim Erreichbarkeitsrecht und Kooperationsplan sind kritisch. Es sollten nicht ähnliche Fehler wie im SGB II gemacht werden, wo sich weniger Verbindlichkeit im Vermittlungsprozess nicht bewährt hat.
Die Anerkennungsberatung in die Zuständigkeit der BA zu geben, ist systemwidrig. Die BA hat keine Zuständigkeit im Bereich der Anerkennung von Qualifikationen und auch kein Fachwissen, was der Referentenentwurf sogar klar benennt. Die Hinweise zu weiteren Informations-möglichkeiten, die aktuell auf der Webseite der BA zur Verfügung gestellt werden, sind völlig ausreichend. Die BA soll in ihrer Beratung weiterhin auf die jeweils zuständigen Beratungsstellen der Länder und der Kammern verweisen.
Mehr Digitalisierung und Automatisierung in der Arbeitslosenversicherung ist wichtig und notwendig. Digitalisierungsrenditen müssen insbesondere für die Schließung der Demografielücke genutzt werden. Die Arbeitslosenversicherung verliert in den nächsten zehn Jahren aus demografischen Gründen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.