BSG, Urteil vom 10.04.2024, B 7 AS 1/23 R
Ein Eingliederungszuschuss ist gem. § 92 Abs. 2 S. 1 SGB III teilweise zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder einer Nachbeschäftigungszeit beendet wird. Dies gilt nach § 92 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegen, zu kündigen. Hierfür genügt, unabhängig von den tatsächlichen Umständen der Beendigung der Beschäftigung, das objektive Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Grundes im Verhalten oder in der Person des geförderten Arbeitnehmers.
In der Entscheidung geht es um die Klage einer in der Werbebranche tätigen GmbH gegen die teilweise Rückforderung eines Eingliederungszuschusses, der ihr für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers vom 15.02.2017 bis zum 14.08.2017 gewährt worden ist.
Die Klägerin stellte einen zuletzt im arabischen Sprachraum tätigen „Graphic Designer“ zum 15.02.2017 ein. Der unbefristete Arbeitsvertrag enthielt eine Probezeit von 6 Monaten. Für die Beschäftigung erhielt die Klägerin einen Eingliederungszuschuss. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis am 14.08.2017 innerhalb der Probezeit mit sofortiger Wirkung. Zu den Gründen teilte die Klägerin mit, dass die Sprachbarrieren größer als erwartet gewesen seien und die fachliche Ausbildung etwas unter dem deutschen Standard gelegen habe. Es habe vor der Kündigung das Angebot eines Ausbildungsplatzes und mehrere Gespräche gegeben.
Der Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob der Bescheid des Beklagten über die teilweise Rückzahlung des der Klägerin gewährten Eingliederungsschusses rechtmäßig ist. Es mangelte an hinreichenden Feststellungen dazu, ob die Klägerin zur Kündigung berechtigt war, so dass sie von der Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen wäre.
Grundsätzlich wird die Verpflichtung zur teilweisen Rückzahlung des Eingliederungszuschusses nach § 92 Absatz 2 Satz 1 SGB III durch eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Förderzeitraums oder einer Nachbeschäftigungszeit ausgelöst. Eine Kündigung durch die Klägerin ist vorliegend am letzten Tag des Förderzeitraums – 14. August 2017 – zum 14. August 2017 erfolgt. Die Rückzahlungsverpflichtung ist jedoch unter anderem nach § 92 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 SGB III gleichwohl ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen zu kündigen.
Nach der Entscheidung des BSG beurteilt sich die Berechtigung zur Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers dabei nach den arbeitsgerichtlich zu § 1 Absatz 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz entwickelten Kriterien, ohne dass die Anwendbarkeit der Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes als Rechtsgrundverweisung in die Vorschrift hineinzulesen wäre.
Im Hinblick auf die verhaltensbedingte Kündigung ist nach einem objektiven Maßstab zu prüfen, ob im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände gegeben waren, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen ließen. Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die vergangene Pflichtverletzung sich prognostisch in der Zukunft belastend auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Voraussetzung ist dabei – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nicht immer zwingend eine vorherige Abmahnung.
Letzteres gilt auch, soweit die Klägerin die Berechtigung zu einer personenbedingten Kündigung vorbringt. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ob dies aufgrund der von der Klägerin behaupteten geringer als erwarteten Deutschkenntnisse oder der Ausbildung, die etwas unter dem “deutschen Standard“ gelegen habe, der Fall war, hat das Landessozialgericht nicht festgestellt. Entgegen der Rechtsauffassung des Vordergerichts sind Gründe, die zur Förderung des Arbeitnehmers geführt haben, nicht von vornherein als personenbedingte “ungeeignet“. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck rechtfertigen eine Einschränkung der zur Kündigung berechtigenden Gründe.
Dass es sich hier möglicherweise um eine außerordentliche Kündigung beziehungsweise eine Kündigung innerhalb der Probezeit gehandelt hat, ändere nichts an den zuvor formulierten Grundsätzen.