Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gehört nicht zu den „Gründen für die Kündigung“ im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über die der Arbeitgeber den Betriebsrat unterrichten muss.
In einem Urteil vom 07.05.2020 (2 AZR 678/19) hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinandergesetzt, was zur ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates im Rahmen der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung gehört.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1982 als Konstruktionsingenieur beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag nimmt Bezug auf die jeweils für den Betrieb geltenden Tarifverträge für die Angestellten der Metallindustrie.
Der Personalleiter der Beklagten hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 02.03.2018 zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat stimmte beiden Kündigungen am 05.03.2018 zu.
Mit Schreiben vom 07.03.2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2018. In der rechtzeitig erhobenen Klage berief sich der Kläger darauf, dass zum einen kein Kündigungsgrund bestehe, zum anderen die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört habe. Darüber hinaus sei eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen gewesen. Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben haben, hat das Bundesarbeitsgericht mit oben genannten Urteil auf die Revision der Beklagten hin das Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das BAG merkt an, dass das Landesarbeitsgericht mit der gegebenen Begründung die Berufung gegen das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil nicht hätte zurückweisen dürfen. Ob die Kündigung insgesamt wirksam sei könne der Senat nicht abschließend selbst entscheiden. Dies führte dann zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass die Kündigung nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam sei. Vielmehr habe die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Die Beklagte habe den Betriebsrat hinsichtlich der fristlosen Kündigung weder über einen möglicherweise bestehenden Sonderkündigungsschutz (ordentliche Unkündbarkeit nach den Bestimmungen des Tarifvertrages) unterrichten, noch weitere Ausführungen zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB machen müssen.
Grundsätzlich, so das BAG, ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu hören. Dabei habe der Arbeitgeber den Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Anhörung reiche jedoch nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung richte sich vielmehr nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts des Betriebsrates. Dieses bestehe darin, den Betriebsrat durch Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht, gegebenenfalls zu Gunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat solle die Stichhaltigkeit und die Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung solle dem Betriebsrat jedoch nicht die selbstständige-objektive-Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglichen. Vor diesem Hintergrund musste die Beklagte den Betriebsrat im Hinblick auf die vorrangig beabsichtigte außerordentliche fristlose Kündigung nicht darüber unterrichten, dass der Kläger – möglicherweise – einen besonderen Kündigungsschutz genoss. Ungeachtet der Frage, ob ein solcher überhaupt zu den „Gründen für die Kündigung“ im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gehören kann, müsse ein Arbeitgeber, der außerordentlich fristlose kündigen möchte, dem Betriebsrat jedenfalls nicht mitteilen, dass dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz zukommt, der zwar eine ordentliche Kündigung weitgehend ausschließt, die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung aber ausdrücklich unberührt lässt. Dem Betriebsrat werden insoweit keine Einwendungen abgeschnitten. Er könne der Absicht einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in beiden Fällen, ob ordentliche Kündbarkeit oder ordentliche Unkündbarkeit, gleichermaßen entgegensetzen, dem Arbeitgeber sei es zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Diesbezüglich läge der Einwand des Klägers der Betriebsrat müsse von einem tariflichen Sonderkündigungsschutz wissen, um beurteilen zu können, ob ein förmlicher Widerspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG in Betracht komme, neben der Sache. Das BAG führt ferner aus, dass die Anhörung des Betriebsrates auch nicht im Hinblick auf die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB fehlerhaft sei. Die Wahrung dieser Ausschlussfrist gehöre nicht zu den „Gründen für die Kündigung“ im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Daher müsse der Arbeitgeber hierzu keine gesonderten Ausführungen tätigen. Ein solches Erfordernis überdehne die Zwecke des Anhörungsverfahrens, da es darauf hinausliefe dem Gremium die objektive-Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu ermöglichen. Dies bedeute allerdings nicht, dass der Arbeitgeber nicht angeben müsse, wann der Kündigungssachverhalt sich zugetragen hat. Nur so würde es dem Betriebsrat ermöglicht, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden. Darüber hinaus dürften dem Betriebsrat mögliche – durch das Gesetz nicht inhaltlich begrenzte – Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung nicht – gezielt – abgeschnitten werden. Dies gelte auch für den möglichen Einwand eine außerordentlichen Kündigung sei aus Sicht des Gremiums verfristet. Soweit der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat (freiwillig) Angaben mache, die für die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB von Bedeutung sind, so müssen diese auch wahrheitsgemäß erfolgen. Im vorliegenden Fall wurden die Anhörungsschreiben diesen Anforderungen gerecht, da sie die erforderlichen Angaben darüber enthielten, zu welchem Zeitpunkt sich der Kündigungssachverhalt ereignet haben soll.