Am 1. August 2021 hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Publikationsreihe des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts „WSI Mitteilungen 4/2021“ seine aktuellen Zahlen zur Tarifbindung im Jahr 2020 veröffentlicht.
Die Befunde zur Tarifbindung beruhen auf einer Befragung von rund 16.000 Betrieben aus West- und Ostdeutschland im Rahmen des IAB-Betriebspanels. Die aktuelle Publikation enthält eine Sonderauswertungen zu den Angaben der Betriebe zur „Orientierung am Branchentarifvertrag“.
Im Jahr 2020 gaben insgesamt 22 Prozent aller Betriebe in Deutschland (West: 22 Prozent/ Ost: 20 Prozent) an, keiner Tarifbindung zu unterliegen, sich aber an einem Branchentarifvertrag zu orientieren. Diese Betriebe wurden im Folgenden näher betrachtet. Dazu wurden sie in drei Gruppen eingeteilt:
- In der ersten Gruppe wurden alle Betriebe, die sich am Branchentarif orientieren und in denen tarifähnliche Arbeitsbedingungen gelten, zusammengefasst. Diese Betriebe zahlen nach Angaben des IAB mindestens Tariflöhne an die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten. Darüber hinaus geben sie an, dass sie sowohl bei der vereinbarten Wochenarbeitszeit als auch hinsichtlich anderer wesentlicher tariflicher Regelungen, wie der Urlaubsdauer und der finanziellen Zusatzleistungen, dem Branchentarif folgen.
- Die zweite Gruppe umfasst alle Betriebe, die mindestens Tariflöhne für die Mehrheit der Beschäftigten zahlen, ohne sich hinsichtlich aller anderen Regelungen zu orientieren.
- Die dritte Gruppe besteht aus Betrieben, die sich nur relativ locker an die Branchentarifbindung anlehnen und entweder nur einzelnen Beschäftigtengruppen Tariflöhne zahlen oder Löhne unter dem Branchentarif für die Mehrheit der Beschäftigten haben. Auch hinsichtlich anderer wesentlicher Regelungen im Branchentarifvertrag weichen sie von den tariflichen Vorgaben ab.
Die wichtigsten Ergebnisse in der Zusammenfassung:
- 21 Prozent der Betriebe gehören zur ersten Gruppe und bieten ihren Mitarbeitern neben den Tariflöhnen auch weitere tarifähnliche Bedingungen.
- 61 Prozent der Betriebe zahlen mindestens den Tariflohn für die Mehrheit der Beschäftigten, ohne sich an allen anderen tariflichen Regelungen zu orientieren.
- Für 17 Prozent der Betriebe ist der Branchentarifvertrag nur eine lockere Orientierungshilfe. • Die Ergebnisse der westdeutschen Bundesländer weichen kaum von den gesamtdeutschen Zahlen ab.
- In Ostdeutschland gaben hingegen über ein Viertel der Betriebe (26 Prozent) an, sich nur vage am Branchentarifvertrag zu orientieren. Lediglich 13 Prozent zählen hingegen zur ersten Gruppe und bieten neben dem Tariflohnniveau auch weitere wesentliche Tarifregelungen.
Bewertung der BDA:
Deutlich wird durch die Auswertungen des IAB, dass über 80 Prozent der Betriebe in der Kategorie „Orientierung am Branchentarifvertrag“ mindestens Tariflöhne zahlen oder sogar noch weitere tarifvertragliche Bestandteile übernehmen. Dies zeigt, dass Tarifverträge in Deutschland weit über ihre eigentliche unmittelbare Geltung Einfluss auf eine Vielzahl von Betrieben und deren Beschäftigungsverhältnisse haben. Zur umfassenden Analyse der tatsächlichen Reichweite von Branchentarifverträgen sind daher die Betriebe, die angeben sich an einem Branchentarifvertrag zu orientieren, stets mit zu berücksichtigen.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der beigefügten Grafik, die Sie hier herunterladen können.