Wie Sie in der intensiven öffentlichen Berichterstattung verfolgen können, weitet sich die Infektionswelle aufgrund des neuen Coronavirus auch in unserem Land weiter aus. Hinsichtlich der medizinischen Seite kann diesseits nur auf die Internetseite des für den Infektionsschutz in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Robert Koch-Instituts (RKI) verwiesen werden. Die Internetadresse lautet www.rki.de. Dort sind bereits auf der Startseite konkrete Informationen des RKI zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen aufgeführt.
Hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Folgen möchten wir Ihnen auf Basis des aktuellen Sachstandes und der bisher hierzu erfolgten Veröffentlichungen folgende Hinweise geben:
- Bestehende Arbeitsvertragspflichten
Auch wenn sich der Coronavirus weiter ausbreitet ändert dies im Grundsatz zunächst nichts an den mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträgen und den hieraus erwachsenden arbeitsrechtlichen Verpflichtungen beider Arbeitsvertragsparteien. Dies bedeutet, dass grundsätzlich die beiderseitigen arbeitsvertraglichen Hauptpflichten weiter fortgelten, mithin die Arbeitspflicht der Arbeitnehmer und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers.
Den nicht erkrankten Arbeitnehmern steht damit kein generelles Zurückbehaltungsrecht zu, weil sich die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung erhöht hat oder weil er Befürchtungen im Hinblick auf eine Ansteckung hat. Erscheint der Arbeitnehmer deshalb nicht zur Arbeit, besteht auch kein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber.
Auf der anderen Seite ist auch grundsätzlich der Arbeitgeber verpflichtet, die zur Arbeit erschienenen Arbeitnehmer zu beschäftigen und zu vergüten. Möchte er aufgrund einer eigenen Gefährdungsbeurteilung keine Beschäftigung des Arbeitnehmers vornehmen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Freistellung. Allerdings kann eine solche Freistellung nur unter Fortzahlung der Vergütung erfolgen. Eine andere Beurteilung kann sich ergeben, wenn gesetzliche Regelungen oder behördliche Anordnungen gelten.
Sollen hier einseitig vom Arbeitgeber für die Freistellung Plusstunden von einem Arbeitszeitkonto eingesetzt werden, dann ist dies nur möglich, wenn dies so in der zugrundeliegenden arbeitsvertraglichen, betriebsverfassungsrechtlichen oder tarifvertraglichen Vereinbarung geregelt ist.
- Infektionsverdacht – Quarantäne
Nach dem in Deutschland geltenden Infektionsschutzgesetz (IfSG) können die zuständigen Behörden zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten Personen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise nach § 31 IfSG untersagen und eine entsprechende Quarantäne aussprechen. In diesen Fällen haben die betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 56 IfSG in Höhe des Verdienstausfalls. Dieser Entschädigungsanspruch wird für 6 Wochen gewährt. Anschließend besteht ein Anspruch auf Krankengeld. Die Arbeitgeber müssen nach § 56 Abs. 5 IfSG den Arbeitnehmern die Entschädigung zunächst als Vorauszahlung gewähren. Auf Antrag werden diese Beträge dem Arbeitgeber von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen kann der Arbeitgeber nach § 56 Abs. 12 IfSG einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages bei der zuständigen Behörde beantragen.
- Erkrankung
Erkrankt tatsächlich ein Arbeitnehmer an dem Coronavirus, liegt eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) vor. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall zur Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG bis zur Dauer von 6 Wochen verpflichtet. Auch hier gelten selbstverständlich die Erstattungsregelungen aus dem Umlageverfahren für Kleinbetriebe.
- Betriebsschließungen
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Betriebsschließung sehr hoch sind und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Betriebsschließung gegenwärtig noch gering ist, können inzwischen auch solche Maßnahmen der zuständigen Behörden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht mehr ausgeschlossen werden. Nach den bisher gesichteten arbeitsrechtlichen Ausführungen zu diesem Thema besteht in diesem Fall jedoch keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers auf Grundlage der „Betriebsrisikolehre“. Dies dürfte sich aus dem Umstand ergeben, dass sich hier nicht ein typisches Betriebsrisiko verwirklicht, sondern die Schließung auf behördliche Anordnung erfolgt. Es liegt mithin ein aktiver Eingriff von außen auf das Unternehmen bzw. den Betrieb vor.
In diesem Fall besteht jedoch zu Gunsten der betroffenen Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zur Quarantäne verwiesen werden.
Ob in diesen Fällen ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG dadurch ausgeschlossen ist, weil den Arbeitgeber möglicherweise eine Entgeltfortzahlungspflicht nach § 616 BGB wegen eines unverschuldeten Leistungshindernisses trifft, ist gegenwärtig streitig. Gegen eine solche Entgeltfortzahlungspflicht könnte eingewendet werden, dass das Leistungshindernis eigentlich nicht in der Person des Arbeitnehmers, sondern in der behördlichen Anordnung der Betriebsschließung liegt.
Im Übrigen kann die Vergütungspflicht nach § 616 BGB entsprechend unseren Musterverträgen im Arbeitsvertrag eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden.
- Kurzarbeit
Aufgrund der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus und den Produktionseinschränkungen in vielen Ländern, gerade auch in China, kann es in den Betrieben wegen der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung zu Produktions- und Liefereinschränkungen kommen. Dadurch kann die Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer teilweise oder ganz entfallen.
Diesbezüglich hat die Bundesagentur für Arbeit bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen grundsätzlich die Möglichkeit der Zahlung von Kurzarbeitergeld (KUG) gegeben ist. Ein aufgrund oder in Folge des Coronavirus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall beruht im Regelfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. SGB III. Ein Ausgleich des Arbeitsausfalls mithilfe des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes ist damit grundsätzlich möglich. In diesen Fällen kann deshalb nur die dringende Empfehlung ausgesprochen werden, im Bedarfsfall kurzfristig Kontakt mit der zuständigen Arbeitsagentur aufzunehmen, um mit ihr die notwendigen Voraussetzungen abzuklären und die umgehende Antragstellung vorzunehmen.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der Koalitionsausschuss in seiner Sitzung am 08.03.2020 und das Bundeskabinett am 10.03.2020 bereits eine Ausweitung bzw. einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld beschlossen hat. Diese Beschlüsse sollen nunmehr kurzfristig umgesetzt werden. Wesentlicher Teil dieser Beschlüsse ist, dass die Sozialversicherungsbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden nunmehr voll den Arbeitgebern erstatten werden sollen. Darüber hinaus soll das Kurzarbeitergeld schon dann genutzt werden können, wenn 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Bisher muss 1/3 der Beschäftigten betroffen sein. Auch Leiharbeitnehmer sollen Kurzarbeitergeld erhalten können. Zudem soll auf den Aufbau von negativen Arbeitszeitsalden vor Zahlung von KUG verzichtet werden.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Kurzinformationen eine erste Hilfestellung hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Folgen im Umgang mit dem Coronavirus geben konnten. In konkreten Fällen stehen Ihnen selbstverständlich die Juristen unseres Verbandes für weitere Nachfragen jederzeit zur Verfügung.
Darüber hinaus können Sie hier noch einen Fragen- und Antwortenkatalog herunterladen, der auf weitere Einzelfragen im Zusammenhang mit den arbeitsrechtlichen Folgen des Coronavirus eingeht.