Kein Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat durch Freistellung des Arbeitnehmers

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Die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist führt nicht zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat nach § 24 Nr. 4 BetrVG. Vielmehr endet diese erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 24 Nr. 3 BetrVG.

In einem Beschlussverfahren betreffend eine einstweilige Verfügung hat sich das hessische Landesarbeitsgericht am 21.12.2020 (16 TaBVGa 189/20) mit der Frage auseinandergesetzt, ob durch eine Freistellung eines Arbeitnehmers dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat endet. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Die Beteiligten stritten unter anderem über die Wahrnehmung des Betriebsratsamtes durch den Antragssteller, nachdem dieser mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte. Nach diesem Aufhebungsvertrag soll das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021 enden. Der Arbeitnehmer nahm weiterhin an den Betriebsratssitzungen teil. Der Personalleiter des Arbeitgebers äußerte die Rechtsauffassung, aufgrund des Aufhebungsvertrages und der darin vereinbarten unwiderruflichen Freistellung habe der Arbeitnehmer sein Betriebsratsamt verloren. Anschließend stellte der Arbeitnehmer fest, dass seine Zugangskarte zu den Betriebsräumen, die er entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag nicht herausgegeben hatte, gesperrt worden war. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des Antragsstellers wurde erstinstanzlich zurückgewiesen. Die hiergegen vom Arbeitnehmer erhobene Beschwerde hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht merkt an, dass der Antragssteller weiterhin dem Betriebsrat angehöre. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages und die dort vorgesehene Freistellung bis zum 31.12.2021 habe nicht zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat geführt. Für das Erlöschen der Mitgliedschaft nach § 20 Nr. 3 BetrVG wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei auf den Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung abzustellen. Dies sei vorliegend der 31.12.2021. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat ende nach § 24 Nr. 4 BetrVG, wenn das Betriebsratsmitglied nachträglich seine Wählbarkeit verliere. Da auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Verlust der Wählbarkeit führe, ergebe sich eine systematische Auslegung von § 24 Nr. 4 BetrVG, dass hierunter nur die Fälle fallen, die nicht bereits unter die Nummer 3 fallen. § 24 Nr. 4 BetrVG betreffe daher sonstige Fälle des Ausscheidens aus der Belegschaft, vor allem die rechtswirksame Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb desselben Arbeitgebers, die Zusammenlegung von Betrieben zu einem einheitlichen neuen Betrieb, die Ausgliederung eines Betriebsteiles, sei es dass er selbstständiger Betrieb oder in einen anderen Betrieb eingegliedert werde. Derartige Fallgruppen waren jedoch vorliegend nicht gegeben.

In dem Aufhebungsvertrag hingegen haben Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nur ihre individualvertraglichen Rechtsbeziehungen geregelt, nicht jedoch die kollektivrechtliche Beziehung. Es wäre also ohne weiteres möglich gewesen zu vereinbaren, dass das Betriebsratsmitglied vor dem 31.12.2021 (dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses) zu einem vereinbarten Zeitpunkt von seinem Betriebsratsamt zurücktrete. In dem dies nicht erfolgte, könne dieses Schweigen nur dahin verstanden werden, dass der Aufhebungsvertrag gerade keinen unmittelbaren Auswirkungen auf die Betriebsratstätigkeit des Arbeitnehmers haben sollte. Dann müsse es diesem aber auch möglich sein, sein Betriebsratsamt bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben.

Im Übrigen führe jedenfalls bei einem Betriebsratsmitglied die Freistellung von seiner Arbeitspflicht nicht zum Verlust seiner Wählbarkeit nach § 24 Nr. 4 wie § 38 BetrVG zeige. Danach sind ab einer bestimmten Betriebsgröße ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Wäre die Eingliederung in den Betrieb an die tatsächliche Erbringung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten durch das betreffende Betriebsratsmitglied gebunden, so stünde dies im Widerspruch zu § 38 BetrVG. Vielmehr belege diese Norm, dass auch Betriebsratsmitglieder, die keine Arbeitsleistung erbringen und insoweit auch keinem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht unterliegen, dem Betrieb zugehörig sind.