BAG, Urteil vom 23.04.2024, 5 AZR 212/23
Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.
Der Kläger dieses Verfahrens ist als Containermechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehören das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen sowie Lackierarbeiten an Containern. Am Ende eines Arbeitstages legt der Kläger seine verschmutzte Arbeitskleidung ab, wäscht oder duscht sich und lässt die verunreinigte Arbeitskleidung im Betrieb zur Reinigung. Für die angefallenen Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten verlangt der Kläger eine zusätzliche tägliche Vergütung. Die beiden Vorinstanzen haben der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Revision beider Parteien hat der 5. Senat das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Eine Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB kommt hier dem Grunde nach in Betracht, so das BAG. Die innerbetrieblichen Umkleidezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit i.S.v. § 611a Abs. 2 BGB. Auch die Wegezeit des Klägers vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück ist Teil der von der Beklagten geschuldeten vergütungspflichtigen Arbeitszeit.
Gemäß § 611a Abs. 2 BGB können aber auch Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sein. Dies bedarf allerdings einer differenzierten Beurteilung. Körperreinigungszeiten sind dann als Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängen und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen. Von einem unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsleistung ist auszugehen, wenn die Körperreinigung durch den Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wird oder wenn zwingende arbeitsschutzrechtliche Hygienevorschriften eine solche verlangen. Körperreinigungszeiten gehören aber auch dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.
Aber nicht jede im Verlauf eines Arbeitstags auftretende Verschmutzung oder Verunreinigung „erfordert“ ein Duschen in dem hier maßgeblichen Sinn. Das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient der Befriedigung privater Bedürfnisse; es ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig. Letztlich sei eine Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Das LAG habe hier diese Kriterien sowie den genauen Umfang der Umkleide- und Körperreinigungszeiten nicht ausreichend geprüft, so dass der Fall dorthin zurückzuverweisen und dies nachzuholen sei.
Praxishinweise
Unternehmen sollten prüfen, ob bei einzelnen Tätigkeiten eine so erhebliche Verschmutzung der Arbeitnehmenden eintritt, dass Duschen oder Waschen als Teil der geschuldeten Arbeitsleistung erscheinen und deshalb zu vergüten sein könnten.