Einige Betriebsräte verlangen inzwischen in den Unternehmen eine umfassende Arbeitszeiterfassung. Dennoch bleibt es richtig, nicht voreilig zu agieren und die gesetzliche Änderung des Arbeitszeitgesetzes abzuwarten.
Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) zur Arbeitszeiterfassung, wonach sich bereits heute aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die Verpflichtung für Arbeitgeber zur kompletten Arbeitszeiterfassung der Beschäftigten ergebe, ist keine Gesetzesänderung erfolgt. Trotz entsprechender Vereinbarungen im Ampel-Koalitionsvertrag wurde keine Reform des Arbeitszeitrechts auf den Weg gebracht.
Der im April 2023 bekannt gewordene Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist wieder vom Tisch. Dieser sah eine massive Ausweitung der geltenden Aufzeichnungspflichten vor und nutzte weder europa-rechtliche Spielräume, noch ging er die längst überfällige praxisgerechte Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes an. Vor Herbst dieses Jahres ist aufgrund der bevorstehenden parlamentarischen Sommerpause mit keinem neuen Vorstoß aus dem BMAS zu rechnen.
Die Zeit des politischen Stillstands nutzen offenbar einige Betriebsräte, um den Druck auf Arbeitgeber zu erhöhen, bereits jetzt Betriebsvereinbarungen zu schließen bzw. anzupassen, die sich an den vom BAG formulierten Maßstäben orientieren. Es wird die Meinung vertreten, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung habe und in einigen Fällen wird die Argumentation gar mit dem Einschalten von Aufsichtsbehörden für den Fall des Untätigbleibens untermauert.
Aus unserer Sicht gibt es weiterhin keinen akuten Handlungsbedarf zum Abschluss betriebs-kollektiver Vereinbarungen zur umfassenden Arbeitszeiterfassung. Der Beschluss des BAG vom 13. September 2022 gilt nur zwischen den Prozessbeteiligten und bindet weder die Gesamtheit aller Arbeitgeber noch den Gesetzgeber bei einer Neuregelung des Arbeitszeitrechtes.
Soweit ersichtlich, halten sich die Arbeitsschutzbehörden bei Prüfungen zur Arbeitszeiterfassung zurück und warten ihrerseits auf die gesetzliche Neuregelung. Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo es im April einen Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes gab, ist nur geregelt, dass bei fehlender Arbeitszeitaufzeichnung eine entsprechende Anordnung nach § 22 Abs. 2 ArbSchG erfolgen kann. Erst bei einem Verstoß gegen diese Anordnung, die ihrerseits angefochten werden kann, wären Sanktionen möglich.
Vor diesem Hintergrund besteht derzeit aus unserer kein Handlungsbedarf, bestehende betriebliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung auszuweiten oder entsprechende Betriebsvereinbarungen zu schließen oder anzupassen.